Neues Tool sagt individuelles Sterberisiko voraus

Altern trifft jeden, aber in unterschiedlicher Geschwindigkeit. Forschenden ist es nun gelungen, mit einem Gehirnscan und einem Programm die individuelle Alterungsgeschwindigkeit eines Menschen vorherzusagen - und das Risiko damit verbundener Krankheiten. Doch was bringen solche Voraussagen?

Eine zuvor trainiertes Programm kann an einem Hirnscan ablesen, ob jemand schnell oder langsam altert. Die KI-Werte lassen sogar Rückschlüsse auf das Sterberisiko einer Person und die Wahrscheinlichkeit von altersbedingten Erkrankungen zu, findet das Forschungsteam um Ethan T. Whitman von der Duke University in North Carolina heraus. Das neu entwickelte Tool bestimmt die Alterungsgeschwindigkeit anhand von 315 messbaren Merkmalen, die in einem Hirnscan ablesbar sind. Dazu gehören Volumen und Dicke bestimmter Abschnitte im Gehirn.

Die Forschenden analysierten zunächst die Daten von mehr als 1000 Menschen, die seit ihrer Geburt 1972 und 1973 im Rahmen der sogenannten Dunedin-Studie regelmäßig untersucht worden waren. Während der Untersuchung, die nach der neuseeländischen Geburtsstadt der Probandinnen und Probanden benannt ist, wurden alle paar Jahre gesundheitsrelevante Daten erhoben. So wurden beispielsweise der Blutdruck, der Body-Maß-Index, Blutzucker- und Cholesterinspiegel, Lungen- und Nierenfunktionen sowie der Zahnfleischrückgang und Karies ermittelt. Die Veränderungen, die über einen Zeitraum von fast 20 Jahren auftraten, wurden in einen Wert umgewandelt, der angibt, wie schnell der Proband oder die Probandin alterte.

Im nächsten Schritt entwickelten die Forschenden das Tool "DunedinPACNI". Dieses wurde mit nur einem Hirnscan von insgesamt 860 Teilnehmenden der Dunedin-Studie gefüttert, die sich alle zum Zeitpunkt des Scans im Alter von 45 Jahren befanden. Das Tool sollte auf der Grundlage dieser Informationen den Alterungswert der Studienteilnehmer feststellen.

Mehr Daten, validere Ergebnisse

Das Tool, das von den Forschenden auch als Alterungsuhr bezeichnet wird, wurde nun mit einer Reihe von Daten, die aus verschiedenen Studien stammten, gefüttert. Dazu gehörten auch 50.000 Gehirnscans von Menschen zwischen 22 und 98 Jahren, die aus anderen Gesundheitsstudien in Großbritannien, den USA, Kanada und Lateinamerika stammten. Das Tool lieferte tatsächlich ein Maß für die individuelle Geschwindigkeit des Alterns.

Die Forschenden stellten fest, dass Menschen, die nach diesem Maßstab schneller alterten, auch bei kognitiven Tests schlechter abschnitten. Zudem war ein schnellerer Abbau des Hippocampus, einer für das Gedächtnis entscheidenden Gehirnregion, zu erkennen im Vergleich zu Personen, die langsamer alterten.

Alterungstempo und Alzheimer

"Es scheint, als würde etwas erfasst, das sich in allen Gehirnen widerspiegelt", erläuterte der Neurowissenschaftler Ahmad Hariri, der an der Studie beteiligt war, laut einer Mitteilung. Das Forschungsteam stellte eine Wechselwirkung zwischen der Alterungsgeschwindigkeit und Demenzerkrankungen fest. Diese sei in anderen demografischen und sozioökonomischen Gruppen ebenso stark ausgeprägt wie in denen, an denen das Tool zuvor trainiert wurde. Zum Abgleich wurden Stichproben von Menschen aus Lateinamerika sowie Teilnehmer aus dem Vereinigten Königreich, die über ein niedriges Einkommen verfügten oder nicht weiß waren, gemacht, schreiben die Forscher.

Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen stellten konkret fest, dass diejenigen, die laut dem Tool bei Studienbeginn am schnellsten alterten, in den Folgejahren ein um 60 Prozent höheres Risiko hatten, an Demenz zu erkranken, als diejenigen, die langsamer alterten. Doch damit nicht genug. Das Tool lieferte noch mehr Hinweise darauf, wie die schnelle Alterung des Gehirns mit der schnellen Alterung des Körpers zusammenhängt. Als das Team die Ergebnisse zum ersten Mal sah, "klappte uns die Kinnlade herunter", erinnerte sich Hariri. "Der Zusammenhang zwischen der Alterung des Gehirns und des Körpers ist ziemlich überzeugend."

Schnelleres Altern, schnelleres Sterben

Menschen, die den Daten zufolge schneller alterten, seien auch gebrechlicher und litten häufiger unter altersbedingten Problemen wie Herzinfarkten, Lungenerkrankungen oder Schlaganfällen. Zudem liege die Wahrscheinlichkeit, dass innerhalb der nächsten Jahre eine chronische Krankheit bei ihnen diagnostiziert würde, um 18 Prozent höher als bei Menschen mit durchschnittlicher Alterungsrate. Wesentlich alarmierender sei, dass die Wahrscheinlichkeit zu sterben bei ihnen um 40 Prozent höher war als bei denjenigen, die langsamer alterten.

"Das wirklich Coole daran ist, dass wir anhand von Daten aus der Lebensmitte erfasst haben, wie schnell Menschen altern", sagte Hariri. "Die Suche nach Wegen, den altersbedingten Verfall zu verlangsamen, ist der Schlüssel zu einem gesünderen und längeren Leben. Doch zunächst "müssen wir herausfinden, wie wir das Altern präzise überwachen können." Das sei wichtig, weil Menschen weltweit immer älter würden und deshalb auch immer mehr Menschen an altersbedingten, chronischen Erkrankungen wie Demenz leiden werden, so Hariri.

Die entwickelte Alterungsuhr könnte dabei helfen, das Krankheitsrisikos, insbesondere von Alzheimer und verwandten Demenzerkrankungen, besser vorherzusagen und so möglicherweise auch den "Krankheitsverlauf besser in den Griff zu bekommen", sagte Hariri. Für "DunedinPACNI" wurde von den Autoren und Autorinnen der Studie bereits ein Patent angemeldet. Die Ergebnisse ihrer Untersuchung wurden im Fachjournal "Nature Aging" veröffentlicht.