Wirtschaftsministerin Katherina Reiche arbeitet vor ihrem Ministeramt für einen Verband, der viele Gasanbieter vertritt. Nun fordert sie mehr Gaskraftwerke - und erntet den Vorwurf, zu lobbyieren. Sie verteidigt sich und verweist auf technische Möglichkeiten. Die haben aber Grenzen.
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche hat die Pläne der Bundesregierung zum Bau neuer Gaskraftwerke verteidigt. Es brauche gesicherte Leistung, wenn Kohle aus Klimaschutzgründen und wegen des CO2-Preises aus dem Markt verschwinde, sagte die CDU-Politikerin beim Tag des Familienunternehmens in Berlin. "Wir brauchen dringend eine Gasversorgung auch über einen längeren Zeitraum."
Reiche wehrte sich gegen Lobbyismus-Vorwürfe. "Und wenn ich jetzt höre und lese, da sei die Gaslobby am Werk, möchte ich den Kritikern gleich zurufen, dass wir im gleichen Zug die Abscheidung von CO2, also CCS und CCU, also die Nutzung von CO2 ermöglichen müssen", fügte sie hinzu. "Wenn wir gesicherte Leistung brauchen und gleichzeitig Klimaschutz machen wollen, müssen wir uns um das anfallende CO2 kümmern und das machen wir, indem wir es abscheiden, transportieren und speichern werden."
Laut Umweltbundesamt (UBA) gehen Wissenschaftler davon aus, dass 85 Prozent des CO2 aus der Atmosphäre dauerhaft ferngehalten werden können. Ob dieser Wert jedoch je erreicht werden kann, ist offen. Die Zahl der Lagerstätten ist klein. Zudem weist das UBA auf den enormen Energieeinsatz hin, der für die Abscheidung, den Transport und die Speicherung von CO2 nötig ist.
2023 stieß Deutschland 598 Milliarden Tonnen CO2 aus
In bisherigen Pilotprojekten in Europa konnten einige Millionen Tonnen CO2 gespeichert werden. Das dänische Greensand etwa soll ab 2030 jährlich acht Millionen Tonnen unter dem Meeresboden verpressen können. Deutschland stieß laut UBA 2023 allerdings knapp 600 Millionen Tonnen aus - und der deutsche CO2-Ausstoß sank in den vergangenen Jahren bereits beträchtlich.
Bei CCS (Carbon Capture and Storage) wird anfallendes Kohlendioxid etwa in tiefen Erdschichten gespeichert. CCU (Carbon Capture and Utilization) bedeutet, das Treibhausgas für andere Prozesse etwa als Rohstoff zu nutzen.
Grüne schäumen: "Durchmarsch der Gaslobby"
Von Grünen und Linken hatte es Kritik an Reiche gegeben. Der Energieminister Schleswig-Holsteins, Tobias Goldschmidt von den Grünen, hatte im "Handelsblatt" von einem "Durchmarsch der Gaslobby" gesprochen. Der Linken-Bundestagsabgeordnete Lorenz Gösta Beutin warf der Bundesregierung vor, die Klimaziele "zugunsten fossiler Interessen" über Bord zu werfen. "Dass diese Pläne ausgerechnet von einer früheren Energielobbyistin wie Reiche kommen, ist bezeichnend für die Pläne dieser Konzernkoalition", sagte er.
Reiche war vor ihrer Rückkehr in die Politik beim Verband kommunaler Unternehmen, der viele Stadtwerke vertritt und übernahm später den Vorsitz des Energieversorgers Westenergie. Union und SPD hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag zum Ziel gesetzt, neue Gaskraftwerke mit einer Gesamtleistung von bis zu 20 Gigawatt zu bauen.