Zuckerersatz soll das süße Leben leichter machen. Doch die Stoffe bringen auch ungewollte Effekte mit sich. Einen bisher als unbedenklich geltenden Süßstoff nehmen Forschende im Labor genauer unter die Lupe - und entdecken bedenkliche Kettenreaktionen.
In Backwaren, Brotaufstrichen und Getränken: Erythrit ist ein Zuckeraustauschstoff, der als gesundheitlich unbedenklich gilt. Wegen seiner vielen positiven Eigenschaften kommt er in zahlreichen Produkten zum Einsatz. Dann wird er auch als E 968 bezeichnet. Doch dieser auch in der Natur und im menschlichen Körper vorkommende Zuckeralkohol könnte gesundheitlich bedenkliche Auswirkungen haben.
Ein Forschungsteam der University of Colorado wollte es genauer wissen. Es setzte im Labor Zellen der Blut-Hirn-Schranke mehrere Stunden solchen Erythrit-Konzentrationen aus, die typischerweise nach dem Genuss eines mit dieser Substanz gesüßten Erfrischungsgetränks auftreten. Sie beobachteten dann eine Kettenreaktion von Zellschäden. Solche Zellveränderungen könnten das Gehirn anfälliger für Blutgerinnsel machen und Schlaganfälle fördern, fassen die Forschenden zusammen. Noch besorgniserregender jedoch sei, dass Erythrit die natürliche Abwehr des Körpers gegen die Bildung von Blutgerinnseln zu sabotieren scheint.
Studien mit Hinweisen auf Herzinfarkt und Schlaganfall
Die aktuellen Ergebnisse, die im "Journal of Applied Physiology" veröffentlicht wurden, decken sich mit denen früherer Untersuchungen. Bereits vor einiger Zeit wurden hohe Erythritspiegel im Blut von Menschen mit der Erhöhung von Herzinfarkt- und Schlaganfall-Risiken in Verbindung gebracht. Bisher konnten jedoch keine eindeutigen Zusammenhänge bewiesen werden.
Das Forschungsteam ist sich im Klaren darüber, dass sich die Forschungsergebnisse nicht eins zu eins auf den Menschen übertragen lassen. Zur Bestätigung der gefundenen Effekte sind weitere Forschung mit anspruchsvolleren Tests nötig. Dennoch liefern die aktuellen Ergebnisse eindeutige Hinweise darauf, dass Erythrit die Blut-Hirn-Schranke passiert und mit den Gefäßen im Gehirn interagiert. Auch über die gesundheitsbedenkliche Menge des Erythritkonsums können die Forschenden aufgrund ihrer Erkenntnisse keine Aussage machen. Offen bleibt auch die Frage nach dem Zeitraum, in dem das Konsumieren erythrithaltiger Lebensmittel zu negativen gesundheitlichen Auswirkungen führt.
Besser auf Süßstoffe achten
Der Studienleiter Christopher DeSouza weist laut Mitteilung der Universität dennoch darauf hin, dass in der Studie nur eine Portionsgröße des Zuckerersatzes verwendet wurde. Bei Personen, die mehrere Portionen pro Tag konsumierten, könnten die Auswirkungen noch schlimmer sein. Er rät Verbrauchern und Verbraucherinnen deshalb, die Etiketten zu lesen und auf Erythrit zu achten. "Angesichts ... der nun vorliegenden zellulären Erkenntnisse glauben wir, dass es für die Menschen ratsam wäre, ihren Konsum von Süßstoffen ohne Nährstoffe wie diesem zu überwachen", rät der Experte.
In den vergangenen 25 Jahren wurde Erythrit in rund 60 Ländern als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen. In der EU wird der Zuckeraustauschstoff seit 2006 ohne Mengenbeschränkung als Lebensmittelzusatzstoff verwendet. Er gilt auch hierzulande als "gesundheitlich unbedenklich". Dem Stoff wird bei übermäßigem Verzehr lediglich eine abführende Wirkung bescheinigt. Er soll deshalb nur in Maßen konsumiert werden.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA schreibt 2023 zur abführenden Wirkung: "Die niedrigste Dosis ohne beobachtete schädliche Wirkung (No Observed Adverse Effect Level, NOAEL) von Erythrit, die in Humanstudien zu keinem Durchfall führte, lag bei 0,5 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht."