Atem kann laut Studie viel über jemanden verraten

Atemmuster sind laut einer Studie bei jedem Menschen einzigartig - und lassen Rückschlüsse auf Fitness und das Seelenwohl zu. Die Art des Atmens könnte laut den Forschern auch ihrerseits das Wohlbefinden beeinflussen - was Möglichkeiten für neue Therapien eröffnen würde.

Der Atem eines Menschen ist offenbar so individuell wie seine Stimme oder sein Fingerabdruck. Das legt zumindest eine neue Studie israelischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nahe, die im Fachjournal "Current Biology" erschienen ist. Das Team um Timna Soroka und Noam Sobel vom Weizmann Institute of Science konnte 97 gesunde junge Erwachsene allein anhand ihrer nasalen Atemmuster mit einer Genauigkeit von 96,8 Prozent identifizieren - und das selbst in Wiederholungstests, die bis zu zwei Jahre später stattfanden.

Das Besondere an der Untersuchung: Erstmals wurde das Atemverhalten über volle 24 Stunden hinweg kontinuierlich erfasst - nicht im Labor, sondern im Alltag. Möglich machte das ein neu entwickeltes, tragbares Messgerät mit Nasenschläuchen und Bewegungssensor. Die Forschenden analysierten die Luftströmung getrennt für jedes Nasenloch, im Wachzustand und im Schlaf. Ihr Fazit - und zugleich der Titel der Veröffentlichung: "Menschen haben individuelle Nasenluftstrom-Fingerabdrücke".

"Nasenzyklus" liefert Hinweise

Was zunächst wie eine technische Spielerei wirkt, könnte weitreichende Folgen haben. Denn die Atemmuster reflektieren offenbar nicht nur die Aktivität des vegetativen Nervensystems - das unwillkürlich Körperfunktionen wie Herzschlag, Atmung und Verdauung reguliert -, sondern auch bestimmte psychologische Merkmale. "Atemmuster wurden mit verschiedenen Aspekten der Kognition und Emotion in Verbindung gebracht", schreibt die israelische Forschungsgruppe. So stünden bestimmte Atemmuster etwa mit erhöhten Werten für Depression und Ängste in Zusammenhang, die per Fragebogen erhoben wurden.

Das Forschungsteam fand nun etwa heraus, dass Personen mit höheren Angstwerten im Schlaf kürzere Einatmungen hatten und ihre Atempausen stärker schwankten. Auch der Body-Mass-Index (BMI) ließ sich aus bestimmten Atemmustern zuverlässig vorhersagen. Dabei war vor allem der sogenannte "Nasenzyklus" aufschlussreich, also die abwechselnde Dominanz der linken und rechten Nasenseite beim Atmen - ein vom Gehirn gesteuerter Prozess, der als besonders sensible Schnittstelle zwischen Atem und neuronaler Aktivität gilt.

Macht Art des Atmens uns depressiv?

Die Forschenden interpretieren ihre Ergebnisse als Hinweis darauf, dass das Atmen nicht nur passiv durch körperliche oder seelische Zustände beeinflusst wird - sondern möglicherweise auch umgekehrt: "Vielleicht macht die Art und Weise, wie man atmet, einen ängstlich oder depressiv", spekuliert Noam Sobel in einer Mitteilung zur Studie. "Wenn das stimmt, könnten wir vielleicht die Art und Weise, wie man atmet, verändern, um diese Zustände zu verändern."

Sollte sich dieser Zusammenhang in weiteren Studien erhärten, könnte langfristiges Atemmonitoring so künftig nicht nur zur Diagnose dienen, sondern auch therapeutische Anwendungen inspirieren - etwa durch gezielte Atemübungen oder Biofeedback-Methoden.

Technik steht noch am Anfang

Klar ist aber auch: Die Technik steht noch am Anfang. Derzeit ist das Gerät noch zu auffällig, verrutscht leicht beim Schlafen und erfasst keine Mundatmung. Dennoch untersuchen Soroka und Sobel bereits, ob Menschen gesunde Atemmuster nachahmen können, um ihren mentalen und emotionalen Zustand zu verbessern - und sind optimistisch, mit ihren Studienergebnissen über die Diagnostik hinaus einmal zur Behandlung zu gelangen.

Wie die Forschenden betonen, seien viele medizinische Parameter wie Puls oder Blutdruck längst etabliert - das Atmen sei indes bislang kaum als individuelle Kennziffer betrachtet worden und das schon gar nicht über längere Zeiträume. Dabei gelte gerade die Nasenatmung als besonders stark mit Hirnprozessen verknüpft. "Wir betrachten dies als eine Art Gehirn-Auslesung", so Sobel.

Tatsächlich gab diese Verknüpfung den Anstoß für die aktuelle Studie: Bei Säugetieren verarbeitet das Gehirn Geruchsinformationen während des Einatmens. Jene Verbindung zwischen Gehirn und Atmung veranlasste die Forschungsgruppe zur Frage: Da jedes Gehirn einzigartig ist, würde sich dies dann nicht auch im Atemmuster jedes Menschen widerspiegeln? Die Frage scheint nun bejaht - was den Raum für möglicherweise weitreichende Anwendungen öffnet, von der Frühdiagnose psychischer Erkrankungen bis hin zur Verhaltensforschung.