Nach den schweren Attacken auf Irans Atomanlagen warnen Experten vor möglichen Folgen für Mensch und Umwelt. Die wichtige Anlage in Natans soll schwer beschädigt worden sein. Welche radioaktiven Gefahren gehen von ihr aus?
Das Atomprogramm des Iran stützt sich auf verschiedene Anlagen, die über mehrere Standorte im Land verstreut sind. Mindestens drei davon wurden von Israel angegriffen. Besonders im Fokus steht die Uran-Anreicherungsanlage in Natans, wo auch waffenfähiges Uran hergestellt werden kann. Dort kam es laut dem Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, zu "schweren Schäden".
In einer Erklärung betonte die IAEA, dass "bewaffnete Angriffe auf kerntechnische Anlagen zu radioaktiven Freisetzungen mit schwerwiegenden Folgen innerhalb und außerhalb der Grenzen des angegriffenen Staates führen können". Die Behörde warnte vor der Gefahr für Menschen und Umwelt und nannte die Angriffe auf Atomanlagen "zutiefst besorgniserregend".
Die gute Nachricht: Unmittelbar nach den ersten israelischen Attacken wurden von der IAEA und dem Iran mitgeteilt, dass die Strahlungswerte in Natans nicht erhöht seien.
Was wird in Natans gemacht?
Die Anlage in Natans dient dazu, Uran so stark anzureichern, dass es als Brennstoff in Atomkraftwerken eingesetzt werden kann. Natürlich vorkommendes Uran besteht zum Großteil aus dem Isotop U-238, das nicht spaltbar ist. Nur das Isotop U-235 kann dafür genutzt werden, es macht jedoch lediglich einen Anteil von 0,7 Prozent aus. Um Uran für Brennstäbe in Atomkraftwerken zu nutzen, muss der Anteil auf 3 bis 5 Prozent erhöht werden, für Atomwaffen auf 90 Prozent.
Wie wird Uran in Natans angereichert?
Um Uran anreichern zu können, wird es in einen gasförmigen Zustand überführt. Dafür wird es mit Fluor in den Stoff Uranhexafluorid umgewandelt, der bereits bei einer Temperatur von 56 Grad gasförmig ist. Dann können die unterschiedlich schweren Isotope in Zentrifugen voneinander getrennt werden: Das schwerere U-238 wird nach außen gedrückt, das leichtere U-235 bleibt weiter innen. Werden mehrere Zentrifugen hintereinander geschaltet, kann man den Anteil von U-235 immer weiter erhöhen.
Nach der Anreicherung wird das Uranhexafluorid in das feste Uranoxid umgewandelt, das als Brennstoff in Reaktoren eingesetzt werden kann. Der Iran verfügt laut einer Analyse der jüngsten IAEA-Daten über fast 15.000 Zentrifugen zur Urananreicherung, die meisten davon stehen demnach in Natans.
Welche Gefahren gehen von Uranoxid oder Uranhexafluorid aus?
Uran gibt beim radioaktiven Zerfall vorwiegend Alphastrahlung ab, welche aus schnellen Helium-Ionen besteht. Ein Risiko für Menschen besteht besonders dann, wenn etwa Uranoxid über die Luft eingeatmet wird, warnt das Bundesamt für Strahlenschutz. Vor allem die Lunge sei dann einem erhöhten Krebsrisiko ausgesetzt. Die biologische Wirksamkeit von Alphastrahlung sei "etwa um den Faktor 20 höher als die von Röntgenstrahlung". Besonders Kinder sind demnach gefährdet.
Wird Uran in Form von Uranhexafluorid freigesetzt, reagiert es mit der Feuchtigkeit in der Luft zu Flusssäure und Uranylfluorid. Wird es freigesetzt, kann sich eine giftige und ätzende Nebelwolke bilden, die Schleimhäute, Lunge und Augen schädigen kann.
Was ist mit den anderen Atomanlagen, die Israel angegriffen hat?
Nach iranischen Angaben wurde auch der Standort des Schwerwasserreaktors Arak angegriffen sowie der Nuklearkomplex Partschin.
- Arak: Ursprünglich war Arak als Produktionsstandort für atomwaffenfähiges Plutonium geplant, eine mögliche Alternative zur Urananreicherung. Im Rahmen des Atomabkommens JCPOA (2015) wurde die Anlage jedoch durch einen Umbau entschärft, könnte aber wieder reaktiviert werden. Arak ist nach jüngsten Informationen noch nicht in Betrieb, vor Ort befinden sich mutmaßlich nur eingelagerte Brennstäbe in Form von Uranoxid.
- Partschin: Dabei handelt es sich um ein Militärgelände, über dessen genaue Rolle im Atomprogramm des Iran wenig bekannt ist. In der Vergangenheit gab es Berichte, dass dort Sprengstoff-Tests mit abgereichertem Uran stattfanden, mutmaßlich, um die richtige Konstruktion von Atomwaffen zu erforschen. Die IAEA konnte bei einer Inspektion 2005 jedoch kein radioaktives Material nachweisen. Welche mögliche Gefahr durch einen Angriff auf die Anlage ausgeht, ist daher schwer zu sagen.
Was ist mit den anderen Atomanlagen im Iran?
Die IAEA teilte mit, dass laut dem Iran weitere wichtige Atomanlagen in Isfahan und Fordow bisher nicht Ziel von Attacken waren. In Isfahan wird Uran in Uranhexafluorid umgewandelt. Fordow ist wie Natans eine Anlage zur Anreicherung von Uran - da sie unterirdisch in einen Berg eingebettet ist, ist sie jedoch schwer zu zerstören.