Was sind die Nachteile von Ozempic?

Viele Promis schwören auf die Abnehmwirkung des Diabetesmedikaments Ozempic. Doch die Liste der möglichen Nebenwirkungen der "Abnehmspritze" ist lang. Zwei Diabetologen ordnen den Hype für ntv.de ein.

Oprah Winfrey nimmt es, Schauspielerin Kathy Bates auch und Elon Musk auf jeden Fall, das Diabetesmittel Ozempic ist in aller Munde. Als "Abnehmspritze" hat es nicht nur die Wellnessindustrie grundlegend verändert, sondern auch den langjährigen Marktführer für Diätprodukte Weight Watchers in die Insolvenz getrieben. Auch positive Effekte von Ozempic auf andere Krankheiten wie Fettleber, Nierenschäden oder Alzheimer werden noch erforscht. Auf der anderen Seite machen Berichte über Nachteile und Nebenwirkungen die Runde, von Übelkeit bis zum eingefallenen Ozempic Face und Schilddrüsenkrebs. Was ist wirklich dran am Ozempic Hype? ntv.de fragt bei zwei Diabetologen nach.

Das Wichtigste zuerst: "Ozempic ist keine Abnehmspritze", betont Jochen Seufert, Leiter der Endokrinologie und Diabetologie am Uniklinikum Freiburg. "Ozempic ist ein Diabetesmedikament und eine der oft gewünschten Nebenwirkungen ist eine Gewichtsabnahme." Obwohl Millionen Menschen in Deutschland Ozempic und verwandte Medikamente nehmen und Vorläufer schon seit 20 Jahren auf dem Markt sind, seien ungewünschte Nebenwirkungen sehr selten. "Das sind sehr hilfreiche Medikamente und es überwiegen die positiven Effekte", sagt auch Jürgen Wagner, Chefarzt für Innere Medizin an der Stauffenburg Klinik.

Hungergefühl wird gedämpft

Ozempic ist ein Medikament mit dem Wirkstoff Semaglutid, der zur Behandlung von Diabetes Typ 2 eingesetzt wird. Semaglutid ahmt dafür die Wirkung von Hormonen nach, die das Sättigungsgefühl fördern. Dabei werden auch der Darm und die Magenentleerung verlangsamt. "Gleichzeitig wird auch das Hungergefühl deutlich gedämpft, dadurch isst man weniger und nimmt dann entsprechend ab", sagt Wagner.

Wegen dieser Wirkung wird Ozempic oft verwendet, um Gewichtsverlust herbeizuführen. Ansonsten sei das Medikament laut Seufert nebenwirkungsarm. Das Semaglutid, das die Beweglichkeit des Magen-Darm-Traktes hemmt, sorgt unter Umständen auch für Übelkeit, Erbrechen, Durchfall oder Sodbrennen. Durch genaue Dosierungen seien diese Nebenwirkungen allerdings inzwischen kein Problem mehr. Auch die Möglichkeit, dass Semaglutid das Risiko von Schilddrüsen- und Bauchspeicheldrüsenkrebs erhöht, sei nach großen Studien "im Promillebereich oder komplett vom Tisch", so Seufert. Lediglich Bauchspeichelentzündungen können in seltenen Fällen auftreten.

Eher zu selten eingesetzt?

Für Jürgen Wagner ist das Problem mit Semaglutiden eher, dass sie noch nicht ausreichend zur Behandlung von Adipositas eingesetzt werden. Offiziell gelten 25 Prozent der Deutschen als adipös. Wagner schätzt den wahren Anteil allerdings deutlich höher ein. Das Risiko dabei bestehe in Folgeerkrankungen wie Diabetes, Schlafapnoe, Arthrose, hohem Blutdruck und hohem Schlaganfallrisiko. "Das ist ein Segen, dass man Medikamente bekommt, die tatsächlich an diesem Gewicht etwas drehen."

Ein Nebeneffekt allerdings ist real: die sogenannten Ozempic-Babys. Grundsätzlich hänge bei Frauen die Fruchtbarkeit mit dem Körpergewicht zusammen. "Wenn stark übergewichtige Menschen abnehmen, steigt die Fruchtbarkeit, unabhängig vom Semaglutid", sagt Wagner, da sich die Hormone normalisieren. Laut Seufert könne es im Einzelfall sein, dass die Wirkung des Semaglutids die Aufnahme der Antibabypille verringere.

"Ozempic-Face Ausdruck eines Missbrauchs"

Das viel beschworene Ozempic-Face mit eingefallenen Wangen, hohlen Augen und Falten dagegen komme im Klinikalltag eher selten vor. "Das Ozempic-Face ist der Ausdruck eines Missbrauchs", warnt Seufert. Bei Menschen mit Normalgewicht, die Ozempic nicht benötigen, aber dennoch abnehmen wollen, könne es zu Untergewicht und ungewollten Begleiterscheinungen kommen. Zudem sei es bereits in der Vergangenheit zu Lieferengpässen gekommen, sodass Menschen mit Diabetes-Typ-2 das benötigte Medikament wegen des Abnehm-Hypes nicht mehr erhalten haben. "Es ist sicherlich nicht sinnvoll, sich für den Bikini-Body Ozempic zu spritzen", meint auch Wagner.

Schauspielerin Kathy Bates jedenfalls steht zu ihrer Entscheidung, neben einer Ernährungsumstellung und Bewegung auch mit Ozempic gegen ihr fortschreitendes Übergewicht angegangen zu sein. Und auch Jochen Seufert hat eine klare Meinung: "Das ist ein absoluter Segen und dafür wird es möglicherweise einen Nobelpreis geben."

Übrigens: Entdeckt wurde das körpereigene Hormon GLP-1, welches durch Semaglutid imitiert wird, in den 1980er-Jahren. Interessanterweise gibt es ein solches Hormon auch in der Speicheldrüse der in der nordamerikanischen Wüste beheimateten Gila-Krustenechse. Aus dieser Entdeckung wurde Exenatid, ein dem Semaglutid ähnliches Medikament entwickelt.