Nach stundenlangen Beratungen steht fest: Nach seinem Scheitern im ersten Wahlgang der Kanzlerwahl tritt Friedrich Merz erneut an. Union, SPD, Grüne und Linke verständigen sich auf die erforderliche Änderung der Geschäftsordnung.
Nach dem Scheitern von CDU-Chef Friedrich Merz im ersten Anlauf bei der Wahl zum Bundeskanzler gibt es doch noch einen zweiten Wahlgang im Bundestag. Die Koalitionspartner Union und SPD verständigten sich mit den Fraktionen von Grünen und Linken auf einen entsprechenden Antrag für den Bundestag, um einen zweiten Wahlgang auf die Tagesordnung zu setzen. Dieser erhielt am Ende die Stimmen aller Fraktionen - auch der AfD.
Für die Zustimmung war eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich, für die die schwarz-rote Koalition die Stimmen der beiden Oppositionsfraktionen benötigte. Die Zustimmung der als rechtsextrem eingestuften AfD war am Ende nicht erforderlich.
Seit etwa 15.30 Uhr soll wird erneut gewählt. Unions-Fraktionschef Jens Spahn hatte zuvor bestätigte, dass Merz sich einem zweiten Wahlgang stellen wird. "Ganz Europa, vielleicht die ganze Welt schaut auf diesen Wahlgang", betonte Spahn. "Ich appelliere an alle, sich dieser besonderen Verantwortung bewusst zu sein." Merz war am Vormittag im ersten Wahlgang historisch gescheitert, er hatte nicht die nötige Zahl an Stimmen bekommen.
SPD-Chef Lars Klingbeil sagte: "Ich gehe davon aus, dass jetzt im zweiten Wahlgang die erforderliche Mehrheit da ist, damit Friedrich Merz der nächste Bundeskanzler unseres Landes ist." Angesichts der internationalen Lage, der wirtschaftlichen Schwierigkeiten und der zunehmenden Polarisierung in Deutschland sei es wichtig, dass Deutschland eine stabile Regierung bekomme, die sehr schnell in zuverlässigen Strukturen arbeiten könne.
Schon jetzt ein Debakel
Nötig wären 316 Stimmen gewesen - doch für Merz stimmten nur 310. Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD haben zusammen 328 Sitze im Parlament. Wer die Abweichler waren, blieb wegen der geheimen Wahl unklar. So ist auch ungewiss, wie nun der zweite Wahlgang ausgehen wird. In jedem Fall ist das Scheitern im ersten Wahlgang schon jetzt ein Debakel für den 69-jährigen Merz. Es dürfte einen dunklen Schatten auf seine Kanzlerschaft werfen - wenn denn am Ende überhaupt noch etwas daraus wird.
In der Geschichte der Bundesrepublik ist der gescheiterte Wahlgang in dieser Form ein Novum: Noch nie ist nach einer Bundestagswahl und erfolgreichen Koalitionsverhandlungen ein designierter Kanzler bei der Wahl im Bundestag durchgefallen.
Doch wieso fehlten plötzlich die nötigen Stimmen? Union und SPD hatten vor der Sitzung angegeben, dass ihre Abgeordneten komplett anwesend seien. Doch mindestens 18 müssen nicht für Merz gestimmt haben, vielleicht auch mehr. Denn theoretisch könnten ja auch Oppositionspolitiker ihre Stimme für den CDU-Chef abgegeben haben.