So sabotiert Präsident Donald Trump die Demokratie

US-Präsident Trump hat den Meißel angesetzt: An die Gewaltenteilung und Kontrolle der Exekutive, die Gleichheit vor dem Gesetz, bei Bildung und Forschung. Ein Wissenschaftler sagt: "Es fällt mir schwer, in diesem Land eine demokratische Zukunft zu sehen."

US-Präsident Donald Trump schwächt die Demokratie, so viel ist sicher. Schon in den ersten Monaten seiner zweiten Amtszeit hat er die Gewaltenteilung und Kontrolle der Exekutive untergraben, die Gleichheit vor dem Gesetz, die Meinungsfreiheit und freie Presse angegriffen, sich in Bildung, Forschung und Kultur eingemischt. Mehr als 700 Wissenschaftler und auch die allgemeine Öffentlichkeit sehen all dies kritisch.

In einer regelmäßigen Umfrage über den Zustand des politischen Systems in den USA verschlechterte sich unter Trump der Wert auf einer Skala von 0 für eine reine Diktatur bis 100 für eine perfekte Demokratie. Bei Forschern ist er von 67 auf 49 abgestürzt. Sogar während Trumps erster Amtszeit und dem Putschversuch vom 6. Januar 2021 war der Wert nicht unter 60 gefallen. Die USA rutschen also in Richtung eines autokratischen Systems. Aber wie weit und wie dauerhaft?

In der Gewaltenteilung hat er Grenzen überschritten wie kein Präsident seit dem Zweiten Weltkrieg. Seine Regierung hat bewusst Anordnungen der Gerichte ignoriert oder die Zusammenarbeit mit ihnen auf ein absolutes Minimum beschränkt. Trump beschimpfte Richter öffentlich, mehrere Regierungsmitglieder behaupten, die Juristen hätten keine Autorität dazu, das Vorgehen des Präsidenten zu überprüfen und einzuschränken. Dabei ist genau dies die Aufgabe der Judikative.

Den US-Kongress behandelt er zuweilen wie eine weitere Behörde, die er herumkommandieren darf. Trump hat etwa den - mit Stimmen beider Parteien beschlossenen - Verkauf der Social-Media-Plattform Tiktok bislang blockiert. Zudem entzieht er unliebsamen Behörden die Finanzierung. Laut Verfassung liegt dies in der Entscheidungsgewalt des Kongresses. Trump sieht das jedoch anders.

Justiz hat Schlüsselrolle

Das Recht auf ein Gerichtsverfahren, auf den sogenannten due process, ist in der US-Verfassung für jeden Menschen innerhalb der Landesgrenzen festgeschrieben, unabhängig von seiner Staatsangehörigkeit. Dieses Prinzip hat Trumps Regierung immer wieder verletzt. Am Wochenende stellte Trump öffentlich infrage, ob die Verfassung auch für Migranten gelte. Wäre das nicht mehr so, würden sie im Rechtssystem zu Menschen zweiter Klasse.

Der bisher bekannteste Verstoß: Die Einwanderungsbehörde flog 238 Menschen mit Migrationshintergrund ohne Prozess in ein Hochsicherheitsgefängnis im mittelamerikanischen El Salvador aus. Einer davon war Kilmar Ábrego García. Sein Fall beschäftigt seither das Land.

Wenn Nicht-Bürgern ein ordentliches Gerichtsverfahren verwehrt würde, könnte dies auch Menschen mit US-Pass passieren, so Juristin Denise Gilman von der Universität von Texas: "Die Verfassung unterscheidet nicht dabei, wer geschützt wird", wird sie von der "Washington Post" zitiert. Trump hat anklingen lassen, dass er sich Abschiebungen krimineller US-Bürger vorstellen kann. Er hatte im Wahlkampf die "größte Abschiebeaktion in der Geschichte" des Landes angekündigt.

Manche sind vor dem Gesetz gleicher

Apropos Justiz. Gleiches Recht für alle ist für manche offenbar gleicher als für andere. Seit dem Watergate-Skandal hatte das Weiße Haus sein Justizministerium und damit die Generalstaatsanwaltschaft größtenteils unabhängig agieren lassen. Trump hat das geändert. Er nutzt das Ressort für seine eigenen Interesse, etwa, um gegen politische Gegner vorzugehen. Er behauptet, dies sei im Sinne des Landes. Ein aufsehenerregender Fall: Im April ordnete Trump Ermittlungen gegen ActBlue an, das Spendennetzwerk der Demokratischen Partei und oppositioneller Gruppen.

Ermittlungen gegen Verbündete ließ der Präsident zugleich beenden oder im Sande verlaufen. Der Präsident ging in seinen ersten Monaten unter anderem per Dekret gegen unliebsame Anwaltskanzleien vor, die mit Demokraten zusammenarbeiten. So versucht er, Klagen gegen seine übergriffige Politik schon im Keim zu ersticken. Schon am ersten Tag seiner Präsidentschaft begnadigte er sämtliche Verurteilten wegen des Sturms auf das Kapitol. Das ist wie ein Signal an die Gesellschaft: Treue zu Trump ist wichtiger als Gesetze.

Die Versuche, den politischen Gegner mit der Macht des Staates zu schwächen, sind vielfältig. So drohte die Regierung etwa mit einem Ende von Steuernachlässen für eine Gruppe von regierungskritischen, gemeinnützigen Organisationen. Solche Drohungen reichen manchmal schon, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen, da Gerichtsverfahren den finanziellen Ruin bedeuten können. Demokratisch ist all dies bestimmt nicht.

Freie Meinungsäußerung nur für sich selbst

Trump und sein Team behaupten häufig, sie hätten die freie Meinungsäußerung "zurückgebracht". Dabei haben sie die eher eingeschränkt. Trump hat verschiedene US-Medien wegen unliebsamer Berichterstattung verklagt. Er versucht, so Journalisten und Redaktionsleitungen einzuschüchtern. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, hält inzwischen sogar eigene Presserunden mit Pro-Trump-Influencern ab. Die kritiklosen Runden beschrieb eine Autorin des "Atlantic" als "ein Briefing direkt aus Nordkorea".

Schon seit Trumps erster Amtszeit sind Bücherverbote ein Streitpunkt des Kulturkampfes der Konservativen gegen progressive Politik. Vieles ist Sache der Bundesstaaten oder noch niedrigerer Ebenen - Washington hat damit wenig zu tun. Mit dem Militär hingegen schon: Aus der Bibliothek der Marineakademie wurden verschiedene Bücher über Rassismus verbannt, oder auch über Frauen im Holocaust. Von "Mein Kampf" sind weiterhin zwei Exemplare verfügbar.

Kultur und Forschung im Visier

Trump versucht, das renommierte Smithsonian Institute auf Linie zu bringen. Als Betreiber der Museumsmeile in Washington sowie als Forschungs- und Bildungseinrichtung ist das Smithsonian so etwas wie der Nexus der US-amerikanischen Geschichtsschreibung. In einem Dekret ordnete Trump neue Kuratierungen der Ausstellungen an, gespickt mit rassistischen Argumenten.

Der Demokratieforscher Jason Stanley von der Eliteuniversität Yale, Autor von "Wie Faschismus funktioniert", hält Trump auch deshalb für einen Autokraten, sagte er zu ntv.de: "Trump will patriotische Kunst sehen, und ist sie das nicht, möchte er sie verbieten."

An Universitäten nahm die Regierung insbesondere Migranten ins Fadenkreuz, die öffentlich Israel kritisierten. Manchen wurde die Aufenthaltserlaubnis entzogen, andere wurden auf offener Straße festgenommen. Die Republikaner sehen die Schulen und insbesondere die akademische Welt als Brutstätte progressiver Politik, die unter Kontrolle gebracht werden muss. "Die Universitäten sind der Feind", sagte Trumps heutiger Vizepräsident JD Vance einmal, als er einen Vortrag zum Kulturkrieg der Konservativen hielt. Trump droht manchen Hochschulen mit Geldentzug, sollten sie ihre Studenten nicht denunzieren, sowie den Forderungen seiner Regierung nach einem Ende von Gleichstellungsmaßnahmen und anderen Umstrukturierungen nachkommen.

Die Eliteuniversität Columbia hat angekündigt, dass sie wegen gekürzter Fördergelder 180 Mitarbeiter gehen lassen muss. Der Uni Harvard, die sich zur Wehr setzt, wurden bereits Steuererlasse gestrichen und Fördergelder eingefroren. Stanley wird deshalb seine Professur in Yale verlassen und nach Kanada gehen: "Es ist einfacher, woanders zu lehren und Forschung zu betreiben, weil man es nicht mehr unter diesem Druck tun muss", sagte er zu ntv.de: "Es fällt mir sehr schwer, in diesem Land eine demokratische Zukunft zu sehen."