Hat jeder Mensch Würmer im Körper?

"Wir alle haben Parasiten und Würmer", behauptet Heidi Klum - und verkündet gleichzeitig eine anstehende Wurmkur für sich und Ehemann Tom Kaulitz. Doch werden unsere Körper tatsächlich von schädlichen Parasiten bewohnt? Und wie sinnvoll ist eine Entgiftung auf Verdacht? ntv.de klärt auf.

Sie winden sich oft unbemerkt durch den Darm oder andere Organe, saugen Nährstoffe und legen Eier: parasitäre Würmer. Dass sie den menschlichen Körper befallen können, ist zugegebenermaßen eine eklige Vorstellung - auch für Heidi Klum. Sie sorgte für Aufsehen, als sie verkündete, dass sie und ihr Mann Tom Kaulitz sich auf Verdacht einer langwierigen Wurmkur unterziehen wollen. "Anscheinend haben wir alle Parasiten und Würmer. Wenn man jemand ist, der ab und zu rohe Sachen isst, wie zum Beispiel Sushi", sagte das Model dem "Wall Street Journal". Doch stimmt das?

Tatsächlich wirken die Zahlen zunächst alarmierend. Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge ist etwa jeder vierte Mensch weltweit mit einem Parasiten infiziert, häufig mit Würmern. Allerdings ist die Infektionsrate regional sehr unterschiedlich. Das hängt in erster Linie mit den hygienischen Bedingungen in einem Land zusammen. So ist das Risiko, sich in Deutschland oder den meisten anderen westlichen Ländern mit Würmern anzustecken, laut dem Robert-Koch-Institut (RKI) äußerst gering.

In Europa nur Madenwürmer

Am häufigsten treten dort demnach Madenwürmer (Enterobius vermicularis) auf, insbesondere bei Kindern. Sie gelten als die häufigste Wurmart bei Menschen in Deutschland und Europa. Genaue Zahlen fehlen jedoch, da es keine offizielle Meldepflicht gibt. Das RKI schätzt, dass hierzulande etwa 20 Prozent der Kinder pro Jahr betroffen sind. Die AOK geht derweil von weit höheren Zahlen aus. Der Krankenkasse zufolge könnte etwa jedes dritte Kind im Kindergarten- oder Grundschulalter Madenwürmer haben.

Erwachsene infizieren sich derweil deutlich seltener - in der Regel nur, wenn sie Eltern betroffener Kinder oder Betreuende in Gemeinschaftseinrichtungen sind. Ein Befall mit Madenwürmern ist dabei in den allermeisten Fällen harmlos. Meist kommt es nur zum Juckreiz am After. Nach etwa 100 Tagen sterben die Madenwürmer von allein ab, es helfen aber auch bestimmte Medikamente, sogenannte Antihelminthika.

Andere parasitäre Würmer wie Spul-, Band- oder Peitschenwürmer sind in Deutschland selten und treten, wenn überhaupt, nur als Einzelfälle nach Auslandsreisen auf. Tropische Wurmarten, wie zum Beispiel Hakenwürmer oder Pärchenengel (Schistosoma), die Bilharziose verursachen, spielen laut RKI praktisch keine Rolle und werden hauptsächlich von Reisenden eingeschleppt.

Welche Gefahr geht von Sushi aus?

Nun behauptete Heidi Klum aber auch, dass vor allem Menschen betroffen seien, die gerne rohe Produkte wie Sushi essen. Tatsächlich warnte eine Gruppe von Gastroenterologen bereits 2017 in einer Studie vor der wachsenden Beliebtheit von Sushi. Demnach könnte das Rohfisch-Gericht in den westlichen Staaten Europas die Zahl der Anisakiasis-Erkrankungen erhöhen.

Die Krankheit wird durch die Aufnahme von bestimmten Fadenwürmern ausgelöst, die in rohem Seefisch vorkommen und über die Nahrung in den menschlichen Körper gelangen können. Setzen sich die Larven im Magen-Darm-Trakt fest, treten in der Regel innerhalb eines Tages die ersten Beschwerden auf - etwa in Form von Schwindelgefühl, Erbrechen und Durchfall. Wird die Infektion nicht behandelt, kann sie im schlimmsten Fall zu einem Darmdurchbruch führen. Laut einem Bericht von CNN gebe es allein in Japan zwischen 2000 und 3000 Fälle im Jahr - und den Forschenden zufolge wächst auch die Zahl der Fälle in Portugal und Spanien.

Allerdings entstehen Anisakiasis-Erkrankungen fast ausschließlich durch unsachgemäß zubereiteten oder nicht ausreichend gefrorenen Fisch, zum Beispiel bei selbst gefangenem und selbst verarbeitetem Fisch. In Europa und den USA gibt es allerdings strenge Regelungen: Fisch, der roh verzehrt werden soll, muss vorher schockgefrostet werden, um Parasiten zuverlässig abzutöten - mindestens 24 Stunden bei minus 20 Grad. Ab dieser Temperatur sterben die Wurmlarven ab und vom Fisch geht keine Gefahr mehr aus.

Das Risiko, sich mit Anisakiasis-Larven zu infizieren, ist auch laut RKI sehr gering. Pro Jahr gibt es demnach nur wenige Hundert Fälle in Deutschland.

Mensch plus Wurm war Normalzustand

Eine Wurmkur auf Verdacht ist in westlichen Staaten also nur für Haustiere sinnvoll. Hund und Katzen kommen schließlich viel häufiger mit Wurmeiern in Kontakt, wenn sie draußen schnüffeln, jagen, Beutetiere fressen und sich das Fell ablecken. Die meisten Wurmarten, die Menschen befallen, sind nicht oder kaum chronisch. Stattdessen verlaufen sie mit klaren Symptomen und können dann gezielt behandelt werden.

Bemerkenswert ist zudem, dass die Bewohner Europas erst seit relativ kurzer Zeit wurmfrei leben. Denn Parasiten im Körper waren Egbert Tannich zufolge fast in der gesamten Menschheitsgeschichte ein Normalzustand. "Mensch und Wurm haben sich über Jahrtausende miteinander arrangiert", erklärte der Professor am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg im Gespräch mit der "Pharmazeutischen Zeitung". "Bis vor 100 Jahren waren vermutlich die meisten Deutschen mindestens einmal im Leben mit Würmern infiziert."

Dass diese inzwischen nahezu verschwunden sind, sieht der Wissenschaftler dabei nicht nur positiv. "Dass bei uns in Nord- und Mitteleuropa kaum noch Wurmerkrankungen vorkommen, ist teilweise auch nachteilig für unsere Immunreaktion", sagte Tannich. Den Anstieg von Aller­gien und Autoimmunerkrankungen wie Asthma, Neurodermitis, Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa bringen er und viele andere Kollegen mit den besonders hygienischen Lebensbedingungen und dem Verschwinden von Wurmerkrankungen in Zusammenhang.