Das Leben, wie es auf der Erde existiert, basiert auf komplexen organischen Molekülen. In einem weit entfernten Sternensystem entdecken Forscher nun Substanzen, die als Vorstufe dieser Verbindungen gelten. Die Forscher vermuten einen Prozess, der im Universum weit verbreitet ist.
Liegt der Ursprung des Lebens eigentlich auf der Erde - oder in den Tiefen des Weltalls? Auf Letzteres deuten die neuesten Erkenntnisse eines internationalen Forschungsteams hin. Demnach bilden sich die Bausteine des Lebens offenbar nicht nur auf einzelnen Planeten, sondern im gesamten Universum, heißt in einer Mitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie in Heidelberg.
Wie die Forscher darauf kommen: In einem 1350 Lichtjahre entfernten, sich gerade erst entwickelnden Sternensystem V883 Orionis haben sie komplexe organische Moleküle entdeckt. Darunter auch die beiden Substanzen Ethylenglykol und Glykolnitril, die als Vorstufen der Bausteine des Lebens gelten. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift "Astrophysical Journal Letters" veröffentlicht.
Dies widerspricht einer gängigen Annahme, dass komplexe organische Moleküle sich erst bilden, wenn ein Stern nach seiner Entstehung eine gewisse Stabilität erreicht hat. Denn davor durchläuft er eine wilde Phase mit Schockwellen, intensiver Strahlung und gewaltigen Gasausstößen. Bislang wurde angenommen, dass diese extremen Bedingungen komplexe chemische Verbindungen, die für die Entstehung von Leben notwendig sind, weitgehend zerstören.
Komplexe Moleküle weit verbreitet?
Doch dem ist offenbar nicht so, im Gegenteil: Die Häufigkeit als auch die Komplexität solcher für die Entstehung von Leben grundlegenden Moleküle nehme in allen Phasen der Entstehung eines Planetensystems erkennbar zu, schreiben die Autoren. Sie sind womöglich weit verbreitet im Universum und bilden sich bereits in interstellaren Molekülwolken. Von neu entstehenden Planetensystemen werden sie dann aufgenommen und entwickeln sich mit der Zeit zu immer komplexeren Molekülen weiter.
In dichten Gas- und Staubwolken, die Sternen vorausgehen, konnten bereits einfache organische Moleküle wie Methanol nachgewiesen werden. Unter günstigen Bedingungen entstehen dort sogar komplexere Verbindungen wie Ethylenglykol – eine der nun in V883 Orionis entdeckten Substanzen. Noch komplexere organische Moleküle, die für biologische Prozesse essenziell sind - darunter Aminosäuren, Zucker und Nukleobasen, die DNA und RNA bilden - wurden bereits in Asteroiden, Meteoriten und Kometen unseres Sonnensystems nachgewiesen.
"Wer weiß, was wir noch alles finden?"
In dem weit entfernten System V883 Orionis konnte das Forscherteam die organischen Substanzen dank des ALMA-Radiointerferometers nachweisen, einer Anlage von mehreren Dutzend Radioteleskopen in Chile. "Komplexe Moleküle wie Ethylenglykol und Glykolnitril senden Radiowellen aus. ALMA ist daher ideal geeignet, um diese Signale zu empfangen", erklärt Kamber Schwarz, Mitautorin der Studie.
"Dieses Ergebnis ist zwar aufregend, aber wir haben bisher nicht alle Signaturen entschlüsselt, die wir in unseren Spektren gefunden haben", so Schwarz. "Daten mit höherer Auflösung werden die Nachweise von Ethylenglykol und Glykolnitril bestätigen." Vielleicht seien darin noch komplexere Chemikalien verborgen, die bisher noch nicht identifiziert wurden. "Womöglich müssen wir auch andere Bereiche des elektromagnetischen Spektrums untersuchen, um noch längere Moleküle zu finden", unterstreicht Fadul. "Wer weiß, was wir noch alles finden werden?"