Welche Menschen, Tiere und Pflanzen leben in einem Gebiet? Eine neuartige Luft-Analysemethode soll dies in zehn Minuten enthüllen können. Auch Hinweise auf Drogen können ermittelt werden - oder Erreger, die Epidemien verursachen. Doch die Forscher warnen auch vor möglichen Risiken.
Die Luft, die wir atmen, ist mehr als Sauerstoff und Stickstoff: Sie ist ein genetisches Tagebuch, das Spuren von Menschen, Pflanzen, Tieren offenbart. In einer Großstadt wie der irischen Hauptstadt Dublin findet man auch Erbgut von Drogen wie Cannabis, Schlafmohn und psychoaktiven Pilzen: Das hat ein Genetiker-Team um David Duffy von der University of Florida mit einer neuartigen Luft-DNA-Analyse nachgewiesen - und stellt bereits Vergleiche mit futuristischen Technologien aus der Science-Fiction-Serie Star Trek an.
In der Stadtluft von Dublin fanden die Forscher DNA-Stränge von zahlreichen Lebewesen, von Viren und anderen Krankheitserregern über verschiedenste Pilze, Pflanzen und Tiere bis hin zu menschlichem Erbgut, wie sie in der Fachzeitschrift "Nature Ecology & Evolution" berichten. "Zu Beginn dachten wir, es sei schwierig, intakte große DNA-Fragmente aus der Luft zu gewinnen. Aber das ist nicht der Fall - wir finden tatsächlich viel informative DNA", wird Duffy in einer Mitteilung seiner Universität zitiert. Durch Ausscheidungen von Urin und Kot bis hin zu Speicheltröpfchen und abgestorbenen Hautzellen gelangt tierisches und menschliches Erbgut in die Umgebungsluft.
"Alle Arten gleichzeitig untersuchen"
Mit aufgesaugten Luftproben oder Abstrichen von einer Fensterscheibe erhalten Forscher DNA-Stücke, die sie sequenzieren und dann mit Gendatenbanken abgleichen können, um zu erfahren, von welcher Art Lebewesen das Erbgut stammt. Bisher wird die sogenannte Umwelt-DNA vor allem aus Wasser oder dem Erdboden gewonnen. Doch Duffy sieht ein großes Potenzial in der Nutzung der Luft als DNA-Quelle: "Es eröffnet enorme Möglichkeiten, alle Arten in einem Gebiet gleichzeitig zu untersuchen - von Mikroben und Viren bis hin zu Wirbeltieren, wie Rotluchsen und Menschen, und allem, was dazwischen liegt."
Der Rotluchs (Lynx rufus) war eines der Tiere, die die Studienautoren genauer untersucht haben. Sie stellten dabei fest, dass das Rotluchserbgut, das sie in Florida aus der Luft gewonnen hatten, eine nähere Verwandtschaft zu Rotluchsen in einem Zoo als in der Wildnis Floridas zeigt. Die Vergleichs-DNA-Proben waren aus Exkrementen der Tiere gewonnen worden.
Ergebnisse in nur zehn Minuten
Den Wissenschaftlern gelang es auch, die Zeit für die Isolierung der DNA weiter zu verkürzen. Nachdem sie zuletzt einen wichtigen Schritt zur Erbgutgewinnung für Umwelt-DNA aus Wasser und Sand von "über Nacht" auf eine Stunde hatten verkürzen können, gelang ihnen nun die Verkürzung auf zehn Minuten.
Vergleiche mit den langwierigen Methoden erbrachten, dass dabei keine DNA durch das Raster fällt. "Diese Ergebnisse zeigen, dass wir der Realisierung eines Geräts zur luftbasierten Lebensformerkennung, das nahezu in Echtzeit arbeitet, wie der Tricorder aus Star Trek, näher sind als je zuvor", schreiben die Forscher.
Mögliche Epidemien eindämmen
Duffy und Kollegen nennen in ihrer Studie eine Vielzahl möglicher Anwendungen für ihre Methode. So könnten schnelle, großflächige Schätzungen der biologischen Vielfalt realisiert werden. Schädlinge, Parasiten und Krankheitserreger könnten überwacht werden, letztere beispielsweise im Hinblick auf eine mögliche Epidemie.
Auch das Monitoring von Allergenen könnte erheblich genauer gestaltet werden. Laut einer Studie, die vor zwei Jahren im Fachmagazin "Current Biology" erschien, könnten Messstationen, die rund um den Globus die Luftqualität überwachen, auch für die genetische Analyse der Luftproben genutzt werden.
Menschliche Aktivitäten überwachen
Nicht zuletzt könnten allerdings auch menschliche Aktivitäten überwacht werden, beispielsweise der Konsum von Drogen und Betäubungsmitteln. Auch die Vielfalt menschlicher Populationen und humangenetische Varianten könnten Gegenstand von Untersuchungen werden.
Duffy setzt sich deshalb bereits seit mehreren Jahren dafür ein, dass die Nutzung von menschlicher Umwelt-DNA gesetzlich geregelt wird. "Gezielte politische Maßnahmen sind erforderlich, beispielsweise die Regelung, wer menschliche Umwelt-DNA direkt untersuchen darf, wann und wo solche Untersuchungen durchgeführt werden und welche Genehmigungen erforderlich sind", schreibt das Team.