Wiener Wissenschaftler entdecken den genetischen Code hinter dem Heilungswunder des Schwanzlurchs Axolotl. Dieselben Gene kommen auch beim Menschen vor: Wird die Medizin eines Tages in der Lage sein, verletzte Gliedmaßen nachwachsen zu lassen?
Der Axolotl ist ein Wunderwesen: Der Körper des Schwanzlurchs aus Mexiko regeneriert sich selbst nach schweren Verletzungen. Ein abgetrennter Arm, ein verlorener Schwanz - alles wächst nach, als wäre nichts geschehen. Auch seine inneren Organe können sich regenerieren. Nun haben Forscher des Instituts für Molekulare Biotechnologie (IMBA) in Wien den Code entschlüsselt, der diesem Wunder zugrunde liegt - und damit womöglich die Tür zu neuen medizinischen Methoden beim Menschen aufgestoßen.
Nachwachsende Körperteile müssen ihre Position im Axolotl-Körper genau kennen, um die richtige Struktur für eine bestimmte Stelle zu bilden. Das Team um Elly Tanaka und Erstautor Leo Otsuki identifizierte ein Signal, das Zellen ihre Position in nachwachsenden Gliedmaßen mitteilt und somit eine Umprogrammierung ihrer Identität ermöglicht. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift "Nature" veröffentlicht.
Dafür untersuchte das Forschungsteam das Nachwachsen eines abgetrennten Arms des Axolotl. Sobald die Regeneration beginnt, bilden Stammzellen auf der vorderen Seite (der Seite des Daumens) das Signalmolekül FGF8, während die Stammzellen der hinteren Seite (kleiner Finger) das Molekül SHH bilden. Diese beiden Signale verstärken sich gegenseitig und weisen die Zellen an, zu wachsen und den sich regenerierenden Arm zu formen - eine frühere Entdeckung des Labors von Tanaka.
Proteine speichern Position im Arm
Die Wissenschaftler fanden heraus, dass das Protein Hand2 dabei eine wichtige Rolle spielt. Hand2 wird auf der Armseite mit dem kleinen Finger gebildet und dient den Zellen als Information über ihre Position im Arm. Bei einer Verletzung erhöht sich die Produktion von Hand2, was wiederum das Signal SHH aktiviert. Dieses steuert dann das Wachstum und die Formgebung der nachwachsenden Gliedmaße.
In Experimenten konnten die Forschenden aus Wien zeigen, dass sie diesen Mechanismus nutzen können, um die Identität von Zellen zu verändern. Zellen, die normalerweise eine Position an der Daumenseite einnehmen würden, konnten durch das SHH-Signal so umprogrammiert werden, dass sie sich wie Zellen der Kleinfingerseite verhielten und entsprechend nachwuchsen.
Ähnliche Gene auch beim Menschen
Als "wirklich aufregend" bezeichnet Forscher Otsuki laut einer Mitteilung die überraschende Entdeckung, wie flexibel der Nachwachs-Mechanismus beim Axolotl offenbar ist. "Unser Modell sagte voraus, dass wir in der Lage sein sollten, Zellen von einer daumenseitigen Identität zu einer kleinfingerseitigen Identität zu wechseln, indem wir die SHH-Übertragung nutzen."
Diese Erkenntnisse sind laut den Autoren daher von großem Interesse für die Medizin: Die Möglichkeit, die Identität und Funktion von Zellen zu steuern, könnte das Nachbauen von Geweben im Labor und regenerative Therapien verbessern. Der Vorteil: Die Gene, die das Nachwachsen beim Axolotl steuern, kommen auch beim Menschen vor. "Unsere Entdeckung stimmt uns optimistisch, dass wir durch Hand2 zusammen mit anderen Erkenntnissen aus dem Axolotl-Modell irgendwann in der Lage sein könnten, Gliedmaßen bei Säugetieren nachwachsen zu lassen", so Tanaka.