"Dem Klima sind die Emissionen der USA kurzfristig herzlich egal"

In seinem Steuergesetz "One Big Beautiful Bill" streicht Donald Trump die Förderung von E-Autos, Solaranlagen und Windkraftprojekten zusammen. Johannes Ackva kann dem Kahlschlag dennoch Positives abgewinnen: "Wo wurden die Steuergutschriften gestrichen?", fragt der Innovationsexperte im "Klima-Labor" von ntv. "Bei marktreifen Technologien." Die wirklich wichtigen Subventionen? Bleiben ihm zufolge erhalten: Trump und die Republikaner stellen mit dem Gesetz Hunderte Milliarden Dollar für Geothermie, Fusionsenergie, CO2-Abscheidung oder auch moderne Atomkraft bereit. Wetten, die der ganzen Welt helfen können - so wie einst Deutschland mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz. Diesen Ansatz hält Ackva auch für sinnvoller als das deutsche Klein-klein mit peniblen Vorgaben im Heizungsgesetz und kurzfristigen Zielen: "Wir haben zwei Prozent der globalen Emissionen, aber bestimmt zehn Prozent der globalen Innovationskraft."

ntv.de: Donald Trump hat sein Steuergesetz "One Big Beautiful Bill" (OBBB) genannt. Was genau muss man sich darunter vorstellen?

Johannes Ackva: Der politische Kampf um das "Große Wunderschöne Gesetz" war klimapolitisch ein entscheidender Moment. Alle wussten, dass die Steuererleichterungen aus der ersten Amtszeit von Donald Trump dieses Jahr auslaufen. Die Republikaner mussten Geld für eine Verlängerung finden. Im Wahlkampf hatte Trump den Inflation Reduction Act (IRA), das riesige grüne Subventionspaket von Joe Biden, als "Green New Scam" bezeichnet, also als "Grünen Neuen Betrug". Deshalb war die Erwartung, dass Trump und die Republikaner den gesamten IRA rückgängig machen würden.

Man streicht Subventionen, um neue Steuersenkungen zu finanzieren?

Ja. Genau das ist aber zum großen Teil nicht passiert. Wenn man zurückschaut: Die USA waren durch den IRA beim Klimaschutz weltweit erstmals führend.

Der wurde damals richtig gefeiert.

Ja. Selbst Europa musste beim Klimaschutz plötzlich über den Atlantik schauen, denn die Zahlen waren enorm: Vor dem IRA wurde geschätzt, dass die USA bis Mitte der 2030er Jahre über Steuergutschriften ungefähr 125 Milliarden Dollar in saubere Energien investieren. Der IRA hat diese Summe verzwölffacht. Durch das Steuergesetz von Donald Trump werden jetzt Subventionen in einer Größenordnung von etwa 500 Milliarden Dollar gestrichen.

Es bleiben 700 Milliarden Dollar übrig?

Deshalb ist das Glas für mich halb voll, nicht leer.

Viele Investitionen des IRA sind in republikanische Bundesstaaten geflossen. Konnte Trump die Subventionen deswegen nicht vollständig zurücknehmen?

Die Steuergutschriften haben zig verschiedene Adressaten, prinzipiell kann man sie aber in zwei Kategorien einteilen: marktreife Technologien wie E-Autos, Windkraft, Solar und Wärmepumpen und Dinge wie Geothermie, moderne Atomenergie, die Abscheidung und Speicherung von CO2 (CCS) oder Fusionskraftwerke - also Technologien, die sich in einer Frühphase befinden. Wo wurden die Steuergutschriften gestrichen? Bei den marktreifen Technologien.

Man erhält keinen 7500-Dollar-Zuschuss mehr, wenn man sich ein E-Auto kauft.

Dieser Zuschuss ist weg, deswegen werden die kurzfristigen Emissionen der USA steigen. Bis 2035 werden wahrscheinlich 500 Millionen Tonnen pro Jahr mehr ausgestoßen als in einem Szenario mit vollem IRA. Deshalb sieht es so aus, als ob das Glas leer wäre. Die Steuergutschriften für die Technologien, die sie dringender benötigen, haben aber Bestand. Das ist zentral, denn die USA werden in diesem Jahrhundert für etwa fünf bis zehn Prozent aller Emissionen verantwortlich sein. Die Innovationskapazität der Vereinigten Staaten ist viel größer als das. Sie können neue, hilfreiche Technologien wirklich voranbringen.

Und weltweit etablieren?

Ja. Was ist das Wichtigste, was Deutschland jemals für den Klimaschutz getan hat? Wir haben 2000 das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) verabschiedet. Das hat den Ausstoß von Emissionen mehr beeinflusst als alles andere.

Es hat Solarenergie und Windkraft marktreif gemacht?

Vor allem Solar. Diese Möglichkeit besteht jetzt bei anderen Technologien, die in den USA weiterhin Steuergutschriften erhalten. So gesehen ist das Glas sogar zwei Drittel voll.

Diese neuen Technologien sind Geothermie und Kernfusion, über die gerne gespottet wird, weil man nicht wirklich vorankommt?

Diesen Spott finde ich lustig, weil 2000 auch über die Vorstellung gelacht wurde, dass sich erneuerbare Energien einmal rechnen würden. Es hat zehn, 15 Jahre gedauert, bis man die Leute überzeugen konnte. Das darf kein Argument gegen diese Investitionen sein. Speziell bei der Geothermie gibt es derzeit einige Durchbrüche in den USA. Die gehen auf eine Förderung von 200 Millionen Dollar in den Obama-Jahren zurück. Das ist nichts. Peanuts. Die Trump-Administration könnte dasselbe bei der modernen Atomkraft oder Fusionsenergie erreichen - auch, weil die amerikanische Debatte stark vom KI-Boom geprägt ist. Es werden Rechenzentren gebaut, der Energiebedarf steigt enorm. Das Rennen um die Vorherrschaft möchte man nicht gegen China verlieren. Es ist parteiübergreifende Priorität in den USA, dass man mehr Energie benötigt.

Aber bei diesem Boom helfen doch Zukunftstechnologien wie Fusionsenergie nicht. Die Strompreise steigen in den USA bereits jetzt teilweise extrem. Wenn ich also jetzt sehr viel mehr Strom benötige, wäre es gerade sinnvoll, auf marktreife Lösungen wie Windkraft und Solarenergie zu setzen.

Im Schnitt kostet US-Strom nur ein Drittel dessen, was man in Deutschland zahlt, aber ja: Wenn es um die kommenden fünf Jahre geht, ist der Diskurs verzerrt. Bis dahin werden Geothermie, die nächste Generation der Atomkraft oder Fusionsenergie keine Rolle spielen. Das zentrale Argument für diese Technologien nennen die Amerikaner "Clean Firm Power". Im Deutschen würde man von stabiler und sauberer Grundlast sprechen. Das ist eine langfristige Perspektive. Deshalb lassen die USA ihre bestehenden Atomkraftwerke auch länger laufen oder nehmen abgeschaltete wieder in Betrieb.

Ihr Optimismus speist sich aus dieser langfristigen Perspektive?

Ich würde das nicht Optimismus nennen, sondern Realismus. Das ist eine Analyse. Die Klimadebatte hat häufig einen extremen Fokus auf lokale Emissionen in den kommenden Jahren. Aus dieser Perspektive ist die aktuelle Entwicklung schlimm, aber wir wissen vom deutschen Solarbeispiel: Das ist eine extrem schlechte Zielgröße. Dem Klima sind die Emissionen der USA bis 2035 herzlich egal. Wichtig ist, welchen Beitrag die USA, Deutschland oder andere Länder für die Entwicklung der globalen Emissionen bis zum Ende des Jahrhunderts leisten.

Mit dem Steuergesetz bleiben mehrere Pfade geöffnet für die Strom- oder Energieversorgung der kommenden 100 oder sogar 200 Jahre?

Genau. Niemand kann sagen, ob diese Wetten aufgehen werden. Aber es ist richtig und wichtig, dass wir als globale Gesellschaft sagen: Solche Wetten und andere, etwa auf grünen Wasserstoff oder alternative Proteine, leisten wir uns.

Und E-Autos und Wärmepumpen setzen sich auch ohne Steuergutschriften durch?

Im Prinzip ist das so. Energiepolitik und Steuergutschriften sind übrigens nur zwei Einflussfaktoren für lokale Emissionen. In den USA sind Genehmigungsverfahren ein Flaschenhals. Es dauert vier bis fünf Jahre, einen Solarpark ans Netz anzuschließen. Die Republikaner sind Freunde einfacher Verfahren. Vielleicht setzt man als Nächstes dort an und ermöglicht so einen schnelleren Anschluss von Erneuerbaren. Das hätte einen Effekt in ähnlicher Größenordnung wie Subventionen.

Für große Innovationen braucht es aber auch politischen Willen. Können Sie den in den USA erkennen? Klimaschutz ist Donald Trump ja herzlich egal.

Deutschland hat das EEG 2000 auch nicht verabschiedet, um das Klima zu schützen. Klimaschutz hatte damals wenig politische Unterstützung. Man wollte dezentrale, erneuerbare Energien fördern und den Atomausstieg schaffen. Deshalb ist man dieses Vorhaben angegangen. Die USA haben andere Treiber: Sie wollen saubere Grundlast für ihre Rechenzentren und für den Wettbewerb mit China.

Und kurzfristig steigende Emissionen ... diese Kröte muss man schlucken?

Wissenschaftlich kann niemand konkret sagen, wo genau die Kipppunkte durch steigende Emissionen liegen. Natürlich kann man versuchen, sie kurzfristig zu reduzieren. In Deutschland hat man beim Heizungsgesetz aber gesehen, wozu das führt. Wer kurzfristig Emissionen senken will, sollte sich dafür einsetzen, dass Genehmigungsverfahren vereinfacht werden und der Methanausstoß reduziert wird, anstatt Klimaschutz mit der Brechstange zu machen.

Umfragen zeigen aber Mehrheiten für Klima- und Umweltschutz.

In diesen Umfragen wird gefragt, ob man Klimaschutz unterstützt. Das beantworten viele Menschen mit Ja. Gibt man den Leuten aber 20 Themen und fragt sie, welche ihnen davon am wichtigsten sind, stimmen in den USA vier Prozent der Menschen für Klimaschutz und in Deutschland vielleicht zwölf. Diese politische Realität ist die zentrale Botschaft der vergangenen Jahre.

Dann liegt Friedrich Merz auf Kurs, wenn er sagt: Die deutschen Emissionen ändern nichts.

In gewisser Weise fassen die Reaktionen auf diese Aussage die Tragik der Klimadiskussion zusammen, denn die Aussage ist richtig und Fakt. Das sollte zentral für unsere Klimastrategie sein. Mit diesem Fakt kann man aber unterschiedlich umgehen: Ich kann fatalistisch sagen, Deutschland ist für zwei Prozent der Emissionen verantwortlich und kann mit heimischem Klimaschutz global ohnehin nichts verändern - das schwingt häufig mit.

Bei Friedrich Merz auch.

Genau, der Fakt wird missbraucht. Ich kann ihn aber auch als Grundlage nutzen und überlegen: Wie werde ich dieser historischen Verantwortung gerecht, und zwar am effektivsten? Mich stört dieser Fokus der Klima-Community, ob wir 2045 oder 2050 klimaneutral sind. Dieses Klein-klein macht letztlich keinen Unterschied. Der bessere Ansatz wäre: Welche Technologien können wir entwickeln, um weit mehr als die deutschen Emissionen einzusparen und auf der ganzen Welt einen Unterschied zu machen? Deutschland hat zwei Prozent der globalen Emissionen, aber bestimmt zehn Prozent der globalen Innovationskraft.

Mit Johannes Ackva sprachen Clara Pfeffer und Christian Herrmann. Das Gespräch wurde zur besseren Verständlichkeit gekürzt und geglättet. Das komplette Gespräch können Sie sich im Podcast "Klima-Labor" anhören.