Lettland beschließt Austritt aus Istanbul-Konvention

Erst im letzten Jahr hat Lettland die Istanbul-Konvention ratifiziert, die Frauen insbesondere vor häuslicher Gewalt schützen soll. Konservative Kräfte sehen darin die traditionellen Familienwerte gefährdet. Nun stimmt das Parlament für den Ausstieg - auch mit den Stimmen einer Regierungspartei.

Das Parlament in Lettland hat den Ausstieg aus der Istanbul-Konvention für den Schutz von Frauen gegen Gewalt beschlossen. Die Volksvertretung in Riga stimmte nach einer mehrstündigen Diskussion für den Rückzug des baltischen EU- und Nato-Landes aus dem Übereinkommen des Europarats.

Gegner und Kritiker der Istanbul-Konvention sehen durch das Vertragswerk eine Ideologie gefördert, die traditionelle Familienwerte in Lettland untergrabe. Das Gesetz zum Austritt muss noch von Staatspräsident Edgars Rinkevics gebilligt werden. Im Vorfeld hatte es Protest gegen den geplanten Ausstieg gegeben, rund 5000 Menschen waren am Dienstag in Riga dagegen auf die Straße gegangen - es war eine der größten Demonstrationen der letzten Jahre in Lettland.

Lettland hatte die 2011 ausgearbeitete Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt erst im vergangenen Jahr ratifiziert. Sie trat dort am 1. Mai 2024 in Kraft. Der Ostseestaat wäre das erste EU-Land, das sich aus dem Vertrag zurückzieht. Die Türkei war 2021 als erstes und bisher einziges Land aus der Konvention ausgestiegen - wobei die Umsetzung auch vorher kaum vorangekommen war.

Ministerpräsidentin hatte Ratifizierung vorangetrieben

Die Istanbul-Konvention stuft Gewalt gegen Frauen als Menschenrechtsverletzung ein. Zudem werden darin politische und rechtliche Maßnahmen definiert, mit denen die Unterzeichnerstaaten einen europaweit einheitlichen Rahmen für Prävention und Opferschutz schaffen sollen. Die beteiligten Staaten verpflichten sich außerdem, offensiv gegen physische und psychische Gewalt vorzugehen und Täter zur Rechenschaft zu ziehen.

Für den Ausstieg hatte die Opposition einen Gesetzentwurf ins Parlament eingebracht. Verabschiedet wurde er nun auch mit den Stimmen von einer der drei Koalitionsparteien der Mitte-Links-Regierung von Ministerpräsidentin Evika Silina. Offen ist, ob dies Auswirkungen auf den Fortbestand der Regierung haben wird. Die Ratifizierung des Übereinkommens war ein wichtiges Anliegen nach ihrem Amtsantritt im September 2023. Frauenrechtsorganisationen und Institutionen, die mit Gewaltopfern arbeiten, befürchten, dass die Aufkündigung des Übereinkommens den Schutz von Frauen und die Bemühungen um die Gleichstellung der Geschlechter schwächt.