Die EU verzichtet auf das pauschale Ausspähen privater Chatnachrichten. Der neue Kompromiss erlaubt Online-Plattformen, freiwillig Systeme zur Erkennung von kinderpornografischen Inhalten zu nutzen.
Die umstrittene anlasslose Chatkontrolle zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern ist vom Tisch. Nach jahrelanger intensiver Diskussion beschloss die dänische EU-Ratspräsidentschaft nun endgültig, das grundsätzliche Ausspähen privater Chatnachrichten aus den kommenden Gesetzesplänen zum Vorgehen gegen Kinderpornographie zu streichen. Insbesondere Deutschland hatte sich zuvor gegen eine pauschale Chatkontrolle gestemmt, Bundesjustizministerin Stefanie Hubig hatte eine Zustimmung ausgeschlossen.
Der dänische Justizminister Peter Hummelgaard begründete den Verzicht seines Lands auf die Maßnahme damit, dass auf EU-Ebene andernfalls keine Einigung auf neue Regeln zum Vorgehen gegen Kinderpornographie möglich gewesen sei. Die derzeitigen EU-Regeln laufen im April aus. "Es bestand die ernsthafte Gefahr, dass wir für längere Zeit ohne das Instrument, über das wir heute verfügen, dastehen würden", sagte Hummelgaard und fügte an: "Das konnten wir uns nicht leisten."
Der Kompromiss, auf den sich die EU-Staaten nun verständigen sollen, ähnelt den derzeitig gültigen Regeln: Demnach dürfen Online-Plattformen weiter Systeme zur Erkennung kinderpornographischer Inhalte verwenden - allerdings nur auf freiwilliger Basis und nicht etwa auf richterliche Anordnung.
Whatsapp meldet anstößige Inhalte bereits freiwillig
Der dänische Justizminister Hummelgaard bedauerte, dass die neuen EU-Regeln nun "nicht die Offensive gegen sexuellen Missbrauch von Kindern sein werden, die wir brauchen". Der nun gefundene Kompromiss sei aber "immer noch besser als ein echter Rückschritt".
Die EU-Kommission hatte im Mai 2022 vorgeschlagen, Internet-Plattformen gesetzlich zum massenhaften Ausspähen privater Chatnachrichten zu verpflichten, um Bilder von Kindesmissbrauch aufzuspüren. Bisher melden Online-Dienste wie Facebook, Instagram oder Whatsapp anstößige Funde auf freiwilliger Basis nach Brüssel.
Ein Bericht der britischen Internet Watch Foundation ergab, dass 62 Prozent des im vergangenen Jahr international identifizierten Materials über sexuellen Kindesmissbrauch auf Servern innerhalb der EU liegen solle. Datenschützer sehen hinter den Gesetzesplänen jedoch einen Generalverdacht aller EU-Bürger.