Gaza-Helfer sehen Deutschland in der Mitschuld

Einige europäische Staaten nehmen verletzte Kinder aus dem Gazastreifen auf. In Deutschland wird dieser Schritt noch debattiert. Hilfsorganisationen fordern die Regierung auf, mehr Verantwortung zu übernehmen.

Hilfsorganisationen begrüßen die Bereitschaft deutscher Städte, verletzte und traumatisierte Kinder aus dem Gazastreifen und Israel aufzunehmen - und fordern zugleich mehr Einsatz von der Bundesregierung, um das Leid vor Ort zu lindern. "Die Situation in Gaza ist katastrophal", sagte die Leiterin der politischen Abteilung von Ärzte ohne Grenzen, Lara Dovifat, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Zuletzt hatten sich neben Hannover und Düsseldorf auch Bonn, Duisburg und Kiel bereit erklärt, je 20 hilfsbedürftige Kinder und Jugendliche aus Gaza und Israel aufzunehmen. Das Auswärtige Amt prüfe die Situation noch.

"Wir sehen, dass Evakuierungen stattfinden können, durchaus auch in europäische Länder. Deutschlands Nachbarn sind da vorangegangen. Es wird Zeit, dass auch die Bundesregierung aktiv wird und ihre Verantwortung wahrnimmt." Die Bundesregierung müsse mehr unternehmen, um den medizinischen Zugang in Gaza zu verbessern. Zugleich könne Deutschland helfen, "indem es schwerstverletzte und kranke Menschen aus Gaza aufnimmt".

Der Geschäftsführer von Medico International, Tsafrir Cohen, sagte dem RND: "Das Gebot der Hilfe hat oberste Priorität. Wenn vor Ort keine Hilfe möglich ist, braucht es auch Unterstützung aus dem Ausland. Dass sich die Bundesregierung der Aufnahme weiterhin verschließt, offenbart mangelnde Empathie für das Leid der Palästinenserinnen und Palästinenser." Cohen übte Kritik an Israel, aber auch an der Bundesregierung. "Es liegt jedoch an der systematischen Zerstörung der Gesundheitsversorgung und aller weiteren Lebensbedingungen durch die israelische Armee, dass vor Ort nicht ausreichend geholfen werden kann", sagte er. "Deutschland trägt daran eine Mitschuld. Es ist unsere politische und moralische Verantwortung, uns für lebenswerte Bedingungen in Gaza einzusetzen."

Zuspruch für Merz' Waffenstopp-Entscheidung

Cohen forderte "eine echte politische Kehrtwende" der Bundesregierung. "Wir begrüßen daher den von Bundeskanzler Merz veranlassten Stopp der Rüstungsexporte nach Israel. Sollte sich Ministerpräsident Netanjahu davon unbeeindruckt zeigen, liegen weitere Handlungsoptionen, wie die Aussetzung des EU-Assoziierungsabkommens mit Israel, auf dem Tisch."

Auch der israelische Historiker Moshe Zimmermann begrüßte die Ankündigung von Merz, keine Waffen mehr an Israel zu liefern, die im Gazastreifen eingesetzt werden könnten. "Die Entscheidung des Bundeskanzlers war lange überfällig", sagte er dem RND. "Man hätte schon früher Bescheid geben müssen, dass man mit dieser israelischen Politik unzufrieden ist. Aber besser spät als nie. Je länger dieser Feldzug dauert, umso schlimmer ist es, nicht nur für die Hamas, sondern vor allem für die Israelis."

Zimmermann fügte hinzu: "Die Entscheidung wird kaum eine Wirkung haben. Denn das israelische Militär hängt vor allem von der eigenen Produktion und der Produktion der Amerikaner ab. Und die israelische Regierung ist politisch auch stur. Trotzdem muss man hier ein Zeichen setzen. Die deutsche Regierung signalisiert etwas. Und das ist schon ein Wert an sich."