"Wir tun das nicht, um Trump einen Gefallen zu tun"

Vor dem Nato-Gipfel in Den Haag gibt Kanzler Merz eine Regierungserklärung ab. Darin versucht er, die Waage zu halten zwischen Zustimmung zu Trump und zu Israel und vorsichtiger Kritik an beiden. Lob hat er für seinen unter Beschuss geratenen Außenminister übrig.

Bomben auf den Iran, Hunger und Tod in Gaza, Drohnenangriffe auf die Ukraine - während die Welt in Flammen aufzugehen scheint, kann Bundeskanzler Friedrich Merz nicht viel dagegen tun. Jedenfalls nicht allein. Im Bundestag hat er nun versucht, zumindest etwas Zuversicht zu verbreiten: "Wir können die Probleme aus eigener Kraft heraus bewältigen", versprach er in seiner Regierungserklärung vor dem Nato-Gipfel und dem Europäischen Rat in dieser Woche. Die "neue Normalität" solle "wenigstens für uns" einhergehen mit Freiheit, Wohlstand und Frieden. Diesem Ziel widme sich die Bundesregierung "mit ganzer Kraft". Fünf Erkenntnisse seiner Rede stachen hervor.

1. Merz stellt sich an die Seite von USA und Israel

Als erst Israel und dann die USA den Iran bombardierten, wurde eines deutlich: wie wenig die Europäer und die Deutschen dabei mitzureden hatten. Jetzt mühte sich Merz, Einigkeit mit den USA und Israel zu demonstrieren. Für Deutschland bleibe "handlungsleitend", dass der Iran keine Atomwaffen haben dürfe. "Wir hoffen heute, dass das Vorgehen Israels und der Vereinigten Staaten von Amerika den Iran dauerhaft davon abbringt, seinem zerstörerischen Ziel näherzukommen." Das war die vornehmere Variante der "Drecksarbeit" - die leiste Israel "für uns alle", hatte er in einem TV-Interview nach dem G7-Gipfel in Kanada gesagt und dabei zustimmend einen Begriff aufgenommen, den die Moderatorin in ihrer Frage verwendet hatte.

2. Bei Gaza stellt sich Merz demonstrativ hinter Wadephul

Während Israel den Iran angriff, ging der Gaza-Krieg weiter. Doch jetzt solle der enden, forderte Merz. Der Moment sei gekommen, "einen Waffenstillstand für Gaza abzuschließen". Im Ton blieb der Bundeskanzler sehr zurückhaltend: "Wir erlauben uns, kritisch nachzufragen, welches Ziel Israel im Gazastreifen erreichen will", sagte er. "Wir mahnen einen menschenwürdigen Umgang mit den Menschen im Gazastreifen an, vor allem mit den Frauen, Kindern und Älteren." Er dankte dabei Außenminister Johann Wadephul für seinen Einsatz -zuletzt hatte es Berichte gegeben, dieser ecke in Teilen der Union - vor allem bei der CSU - an, weil er nicht immer mit Merz auf einer Linie liege.

3. Hoffnung auf US-Sanktionen gegen Russland

Wie immer sagte Merz, er wolle der Ukraine weiter in ihrem Abwehrkampf gegen Russland helfen. Dabei verwies er auch auf diplomatische Bemühungen. "Die Ukraine ist zu einem Waffenstillstand bereit, Russland hat sich dem verweigert. Obwohl wir alles versucht haben, um Russland an den Verhandlungstisch zu bewegen", sagte Merz. Merz verwies auf das 18. Sanktionspaket der EU. Er bleibe zuversichtlich, dass die USA diesen Weg auch mitgehen. US-Präsident Donald Trump hat sich bislang aber nicht zu US-Sanktionen gegen Russland bewegen lassen.

4. Aufrüstung der Bundeswehr kein "Gefallen" für Trump

Fünf Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes (BIP) wollen die Nato-Staaten künftig für Verteidigung ausgeben - das wollen sie auf dem Gipfel in Den Haag an diesem Dienstag und Mittwoch beschließen. "Wir tun das nicht, wie vereinzelt behauptet wird, um den USA und ihrem Präsidenten einen Gefallen zu tun", sagte Merz. "Wir tun das aus eigener Anschauung und Überzeugung." Es sei zu befürchten, dass Russland den Krieg über die Ukraine hinaus fortsetzen wird. "Wir müssen so stark sein, dass es niemand wagen kann, uns anzugreifen", so der Bundeskanzler.

5. Bürokratie in Europa abbauen, Zollkrieg beenden

Vor dem Europäischen Rat diese Woche forderte Merz Bürokratieabbau und einen Mentalitätswechsel bei Regulierungen: "Wir hören auf mit der Kultur des Misstrauens, die gegen schwarze Schafe nicht hilft, aber allen anderen Steine in den Weg legt." Zum Zollstreit mit den USA sagte Merz, er hoffe, es komme Anfang Juli zu einer Lösung. Merz forderte die EU auf, möglichst viele Handelsverträge abzuschließen - als reine Handelsverträge, damit sie nicht in jedem Land ratifiziert werden müssten. Negativbeispiel dafür ist das Abkommen mit dem Südamerika-Block Mercosur. Es hängt seit Jahren in Frankreich fest. Immerhin: Konjunkturprognosen seien nach oben korrigiert worden, das sei ein gutes Zeichen.

Und sonst?

Erkennbar war Merz' Versuch, den letzten Rest an Einigkeit mit den USA hochzuhalten. Dabei lehnte er sich zuweilen weit aus dem Fenster. Auf dem G7-Gipfel habe es Einigkeit in allen Fragen gegeben, behauptete er. Letztlich konnten sich die Staaten aber nur auf eine einzige Erklärung zum Iran einigen. Zum Zollstreit sagte er, seinem Eindruck nach seien die USA an einer Zusammenarbeit mit Europa interessiert - Trumps Drohungen kann man auch anders verstehen. Auch Trumps Neigung zu Sanktionen gegen Russland ist ausgesprochen gering.

Die Oppositionsparteien kritisierten Merz mit jeweils unterschiedlichen Perspektiven; der Koalitionspartner SPD fiel als großer Kritiker naturgemäß aus. Fraktionschef Matthias Miersch forderte Merz auf, Diplomatie und Völkerrecht hochzuhalten und bekannte sich zur Stärkung deutscher Verteidigungsfähigkeit.

Tino Chrupalla von der AfD blieb in seiner Rede eher schwammig. Die Gefahr eines Atomkriegs müsse ausgeschlossen werden und die Waffenruhe von Israel und Iran eingehalten werden, forderte er. Vor allem sprach er über AfD-Lieblingsthemen wie Zuwanderung und Energiepolitik.

Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann stellte sich klar an die Seite Israels, forderte aber auch leidenschaftlich die Einhaltung des Völkerrechts - ein Thema, das Merz komplett umschifft hatte. Die SPD kritisierte sie für das "Manifest für Frieden" der Parteilinken und verlangte, die Hilfe für die Ukraine fortzuführen.

Sören Pellmann von der Linken machte die deutlichste Opposition. Die Angriffe der USA und Israels nannte er völkerrechtswidrig, die Aufrüstung der Bundeswehr lehnte er ab, bezeichnete das Fünf-Prozent-Ziel der Nato als "kompletten Irrsinn". Für jeden Leopard-Panzer könne man eine Grundschule bauen, sagte er. Eine Rückkehr zur Wehrpflicht lehnte er ab.