Heusgen und Ischinger schreiben Türkei-Gespräche ab

Putin schickt nur die "dritte Garde" nach Istanbul, bemängelt der frühere Chef der Sicherheitskonferenz, Ischinger. "Das wird eine Veranstaltung bleiben, wo man hinterher sagen kann: viel Spesen und nichts gewesen." Ischingers Nachfolger bei der Siko, Heusgen, stimmt zu: "Das ist ein Feigenblatt."

Führende Sicherheitsexperten haben sich enttäuscht über die abgespeckte Delegation Russlands bei den geplanten Friedensgesprächen in der Türkei geäußert. Der frühere Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, wertete dies als Verhandlungsverweigerung des Kreml. Putin schicke "Beamte der zweiten Reihe. Damit können keine Fortschritte erzielt werden. Das ist ein Feigenblatt", sagte Heusgen im ZDF. Es werde klar, dass der russische Präsident "nicht auf Verhandlungen setzt, sondern auf Stärke", fügte Heusgen hinzu.

Putin habe mit seinem Vorschlag zu Direktverhandlungen gegenüber den USA zeigen wollen, dass er verhandlungsbereit sei, "aber in der Sache bewegt er sich keinen Zentimeter". Damit zeige sich, "dass das Einzige, was gegenüber Russland funktioniert, eine Politik der Stärke ist", sagte der Sicherheitsexperte weiter.

Ähnlich äußerte sich Heusgens Vorgänger bei der Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger: "Was wir hier jetzt bekommen, ist wirklich die dritte Garde", sagte er im RBB-Inforadio. Diese hätte nach seiner Einschätzung lediglich das Mandat, an die Gespräche von März 2022 anzuknüpfen, als Russland das Ziel verfolgte, die Ukraine in einem frühen Stadium des Kriegs zur Kapitulation zu zwingen. "Ich fürchte also, das wird eine Veranstaltung bleiben, wo man hinterher sagen kann: viel Spesen und nichts gewesen."

Die Absage Putins kann laut Ischinger jedoch ein Umdenken in Washington bewirken. Der Sicherheitsexperte sagte, er habe bei seinem Gespräch mit US-Vizepräsident JD Vance in der vergangenen Woche den Eindruck gewonnen, dass sich "die amerikanische Einstellung zu diesem Konflikt und seinen Lösungsmöglichkeiten" ändere. "Der ursprüngliche Ansatz von Trump war ja, ich charmiere Putin und ich setze Selenskyj unter Druck und heraus kommt dann ein Deal." Da das nicht funktioniert habe, überlege das Weiße Haus, "ob und wie weit man - vielleicht hoffentlich gemeinsam mit den Europäern - jetzt den Druck auf die russische Seite erhöhen muss, damit es nicht bei dieser einmaligen Luftnummer bleibt".

Heusgen lobte im ZDF das Auftreten von Bundeskanzler Friedrich Merz in der Außenpolitik. "Der neue Kanzler hat direkt die richtigen Signale gesandt. Er sucht den Schulterschluss in Europa, er sucht den Schulterschluss mit Frankreich, mit Polen, mit Großbritannien", sagte er. Gerade im Hinblick auf die Sanktionen gegen Russland bleibe es wichtig, dass Europa und die USA zusammen vorangehen.

Auch Ischinger glaubt an die Möglichkeit, dass der Westen gemeinsam den Druck auf den Kreml erhöhen könnte - jedoch nicht durch Sanktionen. Das gerade verabschiedete EU-Sanktionspaket "wird nichts sein, was Putin in die Knie zwingt", sagte der Ex-Botschafter in den USA im RBB-Inforadio. "Aber wenn die USA beispielsweise jetzt ankündigen würden, dass sie die militärische Unterstützung der Ukraine - die Lieferung weiteren militärischen Geräts, ballistischer Waffen, Luftabwehr - wieder aufnehmen, dann wäre das ein sehr deutliches Signal an die russische Seite, dass es mit der Erreichung der russischen Kriegsziele auch in der Ära Donald Trump nichts werden wird."