Das erste Gespräch zwischen der Ukraine und Russland ist in Istanbul wohl ohne große Fortschritte geendet. Laut einem Insider stellt Moskau wie auch schon in der Vergangenheit Bedingungen, die für Kiew unannehmbar sind. Verständigt haben sich beide Seiten auf einen Gefangenenaustausch.
Die Gespräche zwischen ukrainischen und russischen Vertretern in Istanbul sind beendet. Die unter türkischer Vermittlung geführten Verhandlungen über ein mögliches Ende des Ukraine-Kriegs dauerten laut dem türkischen Außenministerium rund anderthalb Stunden. Es war das erste Treffen beider Seiten seit drei Jahren.
Die Ukraine warf Russland jedoch vor, "inakzeptable Forderungen" erhoben zu haben, um die Gespräche scheitern zu lassen. Ein ukrainischer Regierungsvertreter sagte, Moskau verlange von Kiew die Aufgabe ukrainisch kontrollierter Gebiete als Vorbedingung für eine Waffenruhe. Die Forderungen gingen "über das hinaus, was vor dem Treffen besprochen wurde".
Der Sicherheitsexperte Nico Lange schrieb auf X: "Russland stellt in Istanbul weiter Maximalforderungen und lehnt einen Waffenstillstand ab. Wir haben entgegen unserer Zusagen nicht genug dafür getan, um der Ukraine eine starke Verhandlungsposition zu ermöglichen." Von CDU-Außenexperte Roderich Kiesewetter hieß es: Pseudoverhandlungen Teil der hybriden und kognitiven Strategie Russlands sind
Die russische Delegation wurde vom Präsidentenberater Wladimir Medinski angeführt, die ukrainische Delegation von Verteidigungsminister Rustem Umerow. Laut Medinski ist Russland zur Fortsetzung von Ukraine-Kontakten bereit.
Die "Kyiv Post" berichtete unter Berufung auf Angaben von Umerow, beide Seiten hätten sich auf einen Gefangenenaustausch "1000 gegen 1000" geeinigt. An den Gesprächen nahmen auch der türkische Außenminister Hakan Fidan und der Leiter des türkischen Geheimdienstes MIT, Ibrahim Kalin, teil.
Will Russland möglichst einfach an ukrainisches Gebiet gelangen?
Kreml-Vertreter hatten bereits in der Vergangenheit gefordert, die Ukraine solle für eine Waffenruhe auch Gebiete abtreten, die russische Truppen nicht besetzt halten. Darunter würde zum Beispiel die Hauptstadt der Region Saporischschja fallen, aber auch viele andere Orte. Kreml-Sprecher Peskow sagte vergangenen Monat dem französischen Nachrichtenmagazin "Le Point": "Es gibt vier Regionen, die in unserer Verfassung enthalten sind. Die ukrainische Armee muss ihre Waffen niederlegen und sich zurückziehen. Wenn sie dies tut, werden die militärischen Operationen sofort eingestellt."
Die Kreml-Truppen haben nur über die ukrainische Halbinsel Krim die vollständige Kontrolle, die anderen Regionen im Osten der Ukraine - Cherson, Saporischschja, Donezk und Luhansk - sind teilweise noch unter Kontrolle von Kiews Streitkräften. Beobachter warfen Moskau in der Vergangenheit vor, Verhandlungen nutzen zu wollen, um möglichst einfach an ukrainisches Gebiet zu gelangen. Es gibt zudem starke Zweifel daran, dass sich Russland auf lange Sicht mit den Regionen im Osten der Ukraine zufriedengeben würde.´
2022 wollte Russland der Ukraine in der Türkei einen Diktatfrieden auferlegen
Bei den Verhandlungen mit der Ukraine in der Türkei Anfang 2022 legte es Russland darauf an, das gesamte Land wehrlos zu machen und es einem Diktatfrieden zu unterwerfen. Das Institut für Kriegsstudien (ISW) wies kürzlich darauf hin, dass Moskau die jetzigen Verhandlungen auf Grundlage der Protokolle von damals führen wolle. Diese Protokolle würden auf eine "vollständige Kapitulation" der Ukraine hinauslaufen und das Land "hilflos" machen, so das ISW.
Die US-Denkfabrik verweist dabei auf Berichte des "Wall Street Journal" und der "New York Times". Beide Zeitungen konnten mehrere Versionen der Protokolle von 2022 einsehen. Demnach verlangte Russland den Verzicht der Nato-Mitgliedschaft der Ukraine und eine Neutralitätsklausel, die es dem Land verbieten würde, einem Militärbündnis beizutreten, Militärabkommen zu schließen oder ausländisches Militärpersonal, Ausbilder oder Waffensysteme in der Ukraine zu stationieren.
Auch eine großangelegte Demilitarisierung der Ukraine hatte der Kreml 2022 den Angaben zufolge gefordert. Die militärischen Beschränkungen würden denen des Versailler Vertrags nach dem Ersten Weltkrieg für Deutschland ähneln, so das ISW in einer früheren Analyse. Gefordert wurde demnach eine Reduzierung der Streitkräfte auf 85.000 Soldaten. Auch eine drastische Reduzierung von ukrainischen Panzern und Artillerie wollte Moskau erreichen. Die Ukraine wäre in einem solchen Fall bei einem erneuten Angriff so gut wie wehrlos.