Forscher wollen heilenden Nerv über Kopfhörer erreichen

Schon seit langer Zeit wird der sogenannte Vagusnerv auch als Heilnerv bezeichnet. Mit speziellen Kopfhörern soll er in Zukunft stimuliert werden. So sollen vor allem langfristige gesundheitliche Probleme gelöst werden.

Ein spezieller Kopfhörer soll dabei helfen, den Vagusnerv zu stimulieren und so Heilung im Körper hervorrufen. Das ist das erklärte Ziel eines Forschungsteams der Hochschule Fresenius und der Universität Düsseldorf. Mit dem Gerät sollen vor allem langfristige und hartnäckige gesundheitliche Probleme von Menschen, wie Depressionen, Schlafstörungen und Schmerzen, bekämpft werden.

Das Team um Elmar Peuker von der Hochschule Fresenius und Timm Filler von der Universität Düsseldorf sucht zunächst den richtigen Ansatzpunkt im Ohr. Dafür nutzen die Forschenden sogenannte immunhistochemische Färbetechniken. Mit ihnen lassen sich einzelne Nerven im Ohr detailliert darstellen. Mit diesem Wissen könnten in einem weiteren Schritt Therapietechniken angepasst und optimiert werden. "Wir wollen verstehen, welche Nervenfasern im Ohr wirklich zum Vagusnerv gehören, wie und wo sie verteilt sind und wie wir sie gezielt stimulieren können", sagt Peuker laut Mitteilung der Hochschule. Bekannt ist bereits, dass ein feiner Ast dieses mächtigen Nervs auch durch die Ohrmuschel verläuft.

Hype oder Heilsbringer?

Das wissenschaftliche Interesse am Vagusnerv steigt in den letzten Jahrzehnten wieder. In den sozialen Medien gibt es gerade einen regelrechten Hype darum. Dabei ist das Wissen über die Existenz des Nerves uralt. Bereits in der Antike wird über Hirnnerven geschrieben. Seinen lateinischen Namen erhielt der "Nervus vagus" im 18. Jahrhundert. Der Name wurde von dem Begriff "vagari" abgeleitet, was so viel wie umherschweifen bedeutet. Das bezieht sich auf Ausbreitung des Nervs vom Hirnstamm bis in den Bauchraum.

Der Vagusnerv wird als zehnter von zwölf Hirnnerven bezeichnet. Er verbindet also eine Reihe von inneren Organen mit dem Gehirn. Als Hauptnerv des sogenannten parasympathischen Nervensystems steuert der Vagusnerv die Entspannungs- und Regenerationsprozesse im Körper, senkt die Herzfrequenz, fördert die Verdauung und den Aufbau von Energiereserven. Er soll außerdem in direkter Verbindung zu emotionaler Kontrolle stehen und großen Einfluss auf das psychische Gleichgewicht haben, ist bei Limes Schlosskliniken zu lesen.

Singen, Gurgeln, Atmen

In der Traditionellen Chinesischen Medizin TCM wird die Stimulation des Vagusnervs in Form von Ohrakupunktur oder -pressur bereits seit Jahrzehnten praktiziert. Die Maßnahmen sollen helfen, den Schlaf, die Verdauung und das allgemeine Wohlbefinden zu verbessern. In den 1980ern und 1990ern kam die gezielte elektrische Stimulation des Vagusnervs in der modernen Medizin zur Behandlung von Epilepsie und Depressionen hinzu. Aktuell wird an mehreren Einrichtungen weltweit zu den verschiedenen Wirkungen von Vagusnervstimulationen geforscht, unter anderem bei Long Covid, Verdauung und Übergewicht.

Bei der Forschung von Peuker und Filler geht es aktuell um ein medizinisches Hilfsmittel, das dabei helfen soll, den Vagusnerv gezielt zu stimulieren. Die Forscher knüpfen damit thematisch an eine Studie an, die sie bereits 2001 veröffentlichten. Für Peuker ist das keine Science Fiction, sondern eine in Ansätzen bereits realistische Behandlungsmöglichkeit. "Wir wollen die wissenschaftliche Basis für Therapiegeräte verbessern - und dabei gezielt den Vagusnerv ansprechen. Mit kopfhörerähnlichen In-Ear-Geräten, die möglichst gezielte Stimulierungen relevanter Nervenstrukturen im Ohr ermöglichen", so der Professor.

Wie lange es noch dauern wird, bis ein wirksames Gerät auf dem Markt ist, wurde jedoch nicht bekannt gegeben. Interessierte, gesunde Menschen könnten bis dahin ausprobieren, welche Effekte Singen, Gurgeln oder tiefes Atmen als typische Methoden zur Stimulation des Vagusnervs bringen.