Der Klimawandel greift das Mittelmeer besonders stark an. Es ist seicht und erwärmt sich deshalb schneller. Unterwasserflora und Fauna leiden so sehr, dass die Forscher vor der Entstehung von Unterwasser-Wüsten warnen.
Im Urlaub am italienischen Mittelmeer mögen sich langjährige Schnorchel-Fans in letzter Zeit gewundert haben. Denn unter der Wasseroberfläche scheint sich die Welt verändert zu haben: War das Neptungras früher nicht dichter? Waren die Austernbänke nicht zahlreicher und das Wasser grüner? Und was machen Spezies wie der giftige Hasenkopf-Kugelfisch und der Feuerfisch plötzlich im Mittelmeer - stammen die nicht aus wärmeren, tropischen Gewässern?
Offizielle Daten untermauern, dass etwas anders ist: Anfang August hatte das Meer vor Genua 29 Grad Fieber, in einigen Regionen in bis zu 30 Metern Tiefe. An manchen Tagen war es zur Abkühlung besser, unter die Stranddusche zu gehen, denn die Meerestemperatur glich der einer Badewanne. Wie die italienische Umweltorganisation Legambiente unlängst verkündete, nahm die maximale Oberflächentemperatur im Tyrrhenischen Meer zwischen Sardinien und Festland in den Jahren 2015 und 2024 im Durchschnitt um 1,9 Grad zu.
Doch anders als das Verschwinden der Gletscher würde die Veränderung der Unterwasserwelt nicht registriert oder falsch gedeutet, sagt Roberto Danovaro, Professor für Meeresbiologie an der Universität in Ancona und Forscher. "Zum Beispiel freuen wir uns über das immer blauer werdende Meer", so Danovaro. "Wir sind der Meinung, dass die Farbe auf einen guten Zustand hinweist." Doch genau das Gegenteil sei der Fall: "Je blauer uns das Meer erscheint, desto lebloser ist es."
Der pH-Wert macht den Unterschied
Im Moment ist es besonders das Mittelmeer, das unter den hohen Temperaturen leidet. Anders als die Ozeane, die durchschnittlich 4000 Meter tief sind, sind es hier 1500 Meter, es erwärmt sich daher viel schneller. Sein pH-Wert hat sich im Laufe eines Jahrhunderts dreimal so stark verringert wie in den Ozeanen. Darunter leiden vorwiegend Korallen, Meeresigel, Meeresschwämme und Algen aller Art. Betroffen sind ebenso die Posidonia-Algen, auch Neptun- oder Seegras genannt, die dem Meer einen gesunden grünen Teint verleihen. Sie erstrecken sich über Hunderte Quadratmeter und werden Tausende Jahre alt.
Die Biodiversität ist demnach nicht nur auf der Erde, sondern auch im Meer gefährdet. Das Mittelmeer bedeckt zwar flächenmäßig gerade einmal 0,82 Prozent der Erde und speichert nur 0,3 Prozent der Wassermenge, stellt aber dafür das Habitat für fast 8 Prozent aller Meeresarten dar. Es ist ein Tummelplatz der Arten.
"Wobei diese Biodiversität nicht für irgendeine schmucke Mode steht, sondern das Leben auf unserem Planeten ermöglicht", hebt Danovaro hervor. Sie ermögliche es, dass Sauerstoff erzeugt und Kohlendioxid eingefangen werde. Allein was Kohlenstoffdioxid betrifft, nehmen die Meere und Ozeane ein Drittel der vom Menschen erzeugten Treibhausgase auf, und zwar dank der Algen und Mikroorganismen.
Risiko der Wüstenbildung
Das Verschwinden der Vielfalt des Lebens im Wasser beeinträchtige auch das Leben der Fische und besonders der großen Meeresbewohner wie der Pottwale, sagt Meeresbiologe Danovaro. "Ohne Plankton müssen diese bis zu 10.000 Kilometer weit schwimmen, um Nahrung zu finden." Mittlerweile warnen Ozeanforscher vor der Gefahr der Desertifikation, der Wüstenbildung. Ein Begriff, der sich auf das Meer bezogen wie ein Widerspruch anhört. Doch er bezeichnet das Schwinden des Lebens in der Unterwasserwelt.
Um das Ausmaß der Folgen des Klimawandels auf Meere und Ozeane zu erfassen, hat die EU die Forschungsprojekte "Redress" und "Life matters" ins Leben gerufen, an denen auch Danovaro teilnimmt. Viele Daten konnten noch nicht erhoben werden, doch auch die wenigen zur Verfügung stehenden sind aussagekräftig genug: "Nehmen wir die Neptungrasflächen im Mittelmeer, die sind bis zu 30 Prozent zurückgegangen. Andere Algen bis zu 80 Prozent und die Austernbänke sogar noch mehr", sagt der Professor.
Neben der Datenerhebung wollen die beiden EU-Projekte so gut es geht den Meeresgrund und das Leben im Meer restaurieren. Es gehe im Fall der Unterwasserwelt aber nicht ums Reparieren wie beim Auto, so der Experte, sondern um die Wiederherstellung komplexer ökologischer Wechselwirkungen. Dadurch soll das Meer auch seine smaragdgrüne Farbe zurückerhalten.