Der Schütze von Manhattan, der erst vier Menschen und dann sich selbst tötete, hat in seinem Abschiedsbrief von einer Erkrankung seines Gehirns geschrieben, die als CTE bekannt ist. Sport und Kopfverletzungen spielen dabei eine Rolle.
Die in der Fachsprache als Chronisch Traumatische Enzephalopathie (CTE) bezeichnete Erkrankung ist eine seltene Form der Demenz, die durch wiederholte Kopfverletzungen entsteht. Typischerweise tritt sie vor allem bei Menschen auf, die in sogenannten Kontaktsportarten wie American Football, Fußball, Boxen, Eishockey oder Rugby aktiv sind. Aber auch bei Soldaten mit Explosionstraumata oder Personen, die oft stürzen, ist CTE dokumentiert.
Die Krankheit wurde erstmals in den 1920er Jahren in den USA bei Boxern als Punch-Drunk-Syndrom beschrieben. Umgangssprachlich sind Bezeichnungen wie Boxerdemenz oder Boxerkrankheit immer noch gebräuchlich.
Immer wieder kleine Verletzungen im Gehirn
Wiederholte Schädel-Hirn-Traumata werden als Hauptursache für die Entwicklung der neurodegenerativen Erkrankung angesehen. Durch Schläge, Stöße oder Kopfbälle kommt es zu oftmals mikroskopisch kleinen Verletzungen im Gehirn. Eine Vielzahl solcher Verletzungen über einen längeren Zeitraum hinweg führt zu einer Anhäufung von sogenannten Tau-Proteinen im Gehirn. Diese werden wiederum mit zahlreichen Formen der Demenz in Verbindung gebracht. Die fortwährend angehäuften Tau-Proteine stören die normale Funktionsweise des Gehirns und führen schließlich zum Absterben der Nervenzellen. Das wiederum geht mit einer Reihe von neurologischen Ausfällen einher.
Wie schnell das bei Betroffenen passiert und welche Symptome dabei entwickelt werden, ist individuell sehr verschieden. Wie die Krankheit verläuft, hängt auch davon ab, welche Hirnregionen besonders vom Absterben der Nervenzellen betroffen sind. Insgesamt wird CTE laut Alzheimer-Forschung Initiative e.V. in vier Phasen eingeteilt:
1: leichte Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsstörungen, Kopfschmerzen, leichte depressive Verstimmungen
2: stärkere Stimmungsschwankungen, Verhaltensauffälligkeiten, schwere Depressionen
3: markante kognitive Einbußen wie Kurzzeitgedächtnisverlust, Planungs- und Orientierungsschwierigkeiten, Apathie
4: starke Demenz mit weitgehender Hilfsbedürftigkeit, Sprachstörungen, häufig auch Psychosen und motorische Ausfälle, in bestimmten Fällen kommen Symptome von Parkinson hinzu
Zu den typischen Krankheitszeichen werden zudem Impulsivität, Aggressivität, Kontrollverlust sowie Suizidgedanken gezählt. Motorische Störungen wie Bewegungsunsicherheit, verlangsamte Bewegungen und Sprechstörungen treten häufig erst in fortgeschrittenen Stadien auf. Als Therapie wird auf Symptomlinderung und Verzögerung des Fortschreitens gesetzt. Dabei werden sowohl Alzheimer- als auch Parkinson-Präparate eingesetzt. Ansonsten wird auf Physio-, Ergo- und Psychotherapie gesetzt. Eine ursächliche Behandlung von CTE gibt es bisher nicht.
Schutz und Schonung
Umso mehr Wert legen Fachleute auf die Prävention. Das bedeutet: Konsequente Schonung nach Kopfverletzungen, Schutzmaßnahmen im Sport, Verzicht auf riskante Spielweisen und die Aufklärung von Sportlern, Trainern und Eltern werden als entscheidend angesehen. Insbesondere empfiehlt sich nach einer Gehirnerschütterung ein vollständiger Verzicht auf sportliche Aktivitäten bis zur vollständigen Ausheilung.
Die Diagnose von CTE ist, wie bei allen anderen Demenzformen auch, aktuell schwierig. Sie bezieht sich vor allem auf die typische Symptomatik sowie die Anamnese wiederholter Kopfverletzungen. Ohne Zweifel kann CTE nur post mortem, also erst durch eine feingewebliche Untersuchung des Gehirns nach dem Tod, erfolgen.
Der Schütze in Manhattan bittet in seinem Abschiedsbrief darum, dass sein Gehirn untersucht werde, meldet CNN unter Berufung auf Ermittlerkreise. Ob die Bitte des Täters berücksichtigt wird und er tatsächlich unter CTE litt, ist noch ungewiss.