Vor oder nach dem Training? Federnd oder statisch? Sekunden oder eher Minuten? Beim Dehnen scheiden sich die Geister. Eine Gruppe von Fachleuten kann sich jetzt auf einen Konsens auf wissenschaftlicher Basis einigen und macht diesen öffentlich.
Ob zur Vorbeugung von Muskelkater, zur Verbesserung der Haltung oder zur schnelleren Regeneration: Dehnen gilt als eine Art Allzweckmittel. Aber vielleicht ist es gar keins? "In einigen Bereichen wirkt Dehnen gut, in anderen ist es eher überbewertet", so Professor Jan Wilke vom Lehrstuhl Neuromotorik und Bewegung der Universität Bayreuth.
Doch "auch wenn Dehnen nicht immer hält, was es verspricht, ist es eine leicht anwendbare, immer verfügbare und kostenlose Form des Trainings" - man muss nur wissen, wozu und wie. Der Bewegungswissenschaftler hat mit einem internationalen Forschungsteam wissenschaftlich fundierte Empfehlungen zum Stretching erarbeitet, die Trainern, Therapeuten und Sportlern Orientierung geben sollen.
Wo wirkt Dehnen?
Das Forschungsteam empfiehlt etwa:
- Zur kurzfristigen Beweglichkeitssteigerung: mindestens zwei Serien mit je 5 bis 30 Sekunden - die Technik ist dabei nebensächlich.
- Gegen Muskelsteifigkeit: mindestens vier Minuten statisches Dehnen, langfristig fünfmal pro Woche.
- Zur positiven Beeinflussung des Herz-Kreislaufsystems und der Gefäße: mindestens 7 Minuten (akut) oder 15 Minuten (langfristig) statischen Dehnens.
Wo bringt es nichts?
In anderen Anwendungsfällen hatte Stretching nicht die Wirkung, die ihm zugeschrieben wird: So könne es etwa Fehlhaltungen wie einen Rundrücken nicht beseitigen und auch Verletzungen wohl nicht so effektiv vorbeugen wie angenommen. Oder es gebe Alternativen, die genauso gut oder besser wirken. Mehr Beweglichkeit beispielsweise lässt sich auch mit Krafttraining erreichen, wenn es über den vollen Bewegungsspielraum ausgeführt wird.
Das Konsenspapier der 20 Forschenden wurde kürzlich im "Journal of Sport and Health Science" veröffentlicht.