Mehr als 70 Prozent aller Antibiotika weltweit kommen in der Viehzucht zum Einsatz. Aus diesem Grund untersuchen Forschende die Hinterlassenschaften von Schweinen, Rindern und Hühnern und finden darin massenhaft genetische Hinweise auf Krankheitserreger, gegen die Antibiotika nichts mehr ausrichten können.
Im Kot von Hühnern, Schweinen und Rindern haben Wissenschaftler 2291 Subtypen von Genen gefunden, die Krankheitserreger unempfindlich gegenüber Antibiotika machen. Zudem identifizierten sie 3166 Gen-Subtypen, die möglicherweise zu Antibiotikaresistenzen führen könnten. Für ihre Analyse nutzte eine Gruppe um Bintao Li und Lan Jiang von der Northwest A&F University in Xianyang (China) 4017 Genome, die aus dem Kot von Nutztieren in 26 Ländern gewonnen worden waren, darunter auch Deutschland. Die Studie ist im Fachmagazin "Science Advances" erschienen.
Weltweit werden vielen Nutztieren standardmäßig Antibiotika verabreicht, um das Risiko von Krankheitsausbrüchen bei den auf engem Raum gehaltenen Tieren zu verringern. "Die Viehzucht verbraucht jährlich mehr als 70 Prozent der weltweiten Antibiotika", schreiben die Studienautoren. Das mache Nutztier-Mist zu einem wichtigen Überträger von Antibiotikaresistenz-Genen. Sie werteten die Fachliteratur von 2009 bis 2022 aus und erstellten mithilfe von maschinellem Lernen eine Weltkarte der Gefährdungen durch Antibiotikaresistenzen bei Nutztieren.
Die größte Vielfalt an Resistenzgenen in Schweinen fanden die Forscher in Asien, nämlich 246, bei durchschnittlich 3,93 Genen pro untersuchter Zelle. Die Häufigkeit war damit deutlich höher als auf den anderen Kontinenten. Bei Rindern zeigte sich das häufigste Vorkommen von Resistenzgenen in Nordamerika (160 Gene, 1,3 pro Zelle). Das sind 3,3-mal so viele Resistenzgene pro Zelle wie in Asien und sogar 5,1-mal so viele wie in Europa.
Deutschland ist vergleichsweise gut
Bei Hühnern lag die Gesamtzahl unterschiedlicher Resistenzgene mit 314 in Europa am höchsten. Allerdings war die Spannbreite der Menge sehr groß: Während bei Hühnern in Polen durchschnittlich 5,26 Resistenzgene pro Zelle gefunden wurden, waren es in Deutschland nur 0,61 Gene.
Deutschland war neben Spanien das einzige untersuchte Land, in dem im Beobachtungszeitraum die Menge der Resistenzgene bei Hühnern rückläufig war. Bei Schweinen blieb sie in Deutschland und Frankreich über die Jahre stabil, allerdings auf niedrigem Niveau.
Aus den zusammengetragenen Daten leitete das Team ab, wo künftig das Risiko für Antibiotikaresistenzen am größten sein wird. Im Hinblick auf Hühner prognostizieren sie die höchsten Risikowerte für Afrika und die niedrigsten für Europa. Die Resistenz-Risiken bei Schweinen waren in Europa und Asien höher als in Gesamt-Amerika.
Weniger Antibiotika, weniger Resistenzen
"Erfreulicherweise konnten wir positive Effekte der Einschränkung des Antibiotikaeinsatzes in der Landwirtschaft auf die Eindämmung von Antibiotikaresistenzen beobachten", schreiben die Wissenschaftler. Bei Schweinen in China sei die Menge von Resistenzgenen seit 2014 zurückgegangen, wahrscheinlich wegen Vorschriften zur Einschränkung des wachstumsfördernden Einsatzes von Antibiotika. Ebenso nahmen Menge und Diversität der Resistenzgene in US-amerikanischem Schweinekot zwischen 2016 und 2018 rapide ab, möglicherweise im Zusammenhang mit der Umsetzung der Tierfutterrichtlinie im Jahr 2017.
Wie groß die Gefährdungen für den Menschen sein könnten, legt eine andere Auswertung nahe: Die Forscher glichen die gefundenen Gene mit Antibiotikaresistenz-Genen aus dem menschlichen Kot ab. 1250 Resistenzgene aus Hühnerkot waren auch in den Ausscheidungen von Menschen zu finden; bei Schweinen waren es 1114 Gene, bei Rindern 976. "Wir empfehlen, den Dung von Nutztieren als alternative 'Wachposten-Umgebung' zu Abwasser zu nutzen, um frühzeitig vor der Verbreitung von Antibiotikaresistenz-Genen und der Verschlechterung des öffentlichen Gesundheitssystems zu warnen", schreiben die Studienautoren.