Eigentlich sollen soziale Medien Menschen verbinden. Doch wer sie intensiv nutzt, riskiert psychische Probleme - besonders Kinder und Jugendliche. Eine Kinderschutzorganisation warnt vor alarmierenden Entwicklungen.
Die unkontrollierte Ausbreitung von sozialen Medien führt laut einem Bericht der Kinderschutzorganisation KidsRights zu einer weltweiten Zunahme psychischer Probleme bei Heranwachsenden. Bereits jeder Siebte im Alter zwischen 10 und 19 Jahren leide an psychischen Problemen, ermittelte die in Amsterdam ansässige Organisation gemeinsam mit Erasmus-Universität in Rotterdam. "Der diesjährige Bericht ist ein Weckruf, den wir nicht mehr ignorieren können", erklärte der KidsRights-Vorsitzende Marc Dullaert.
Die Krise der psychischen Gesundheit "unter unseren Kindern hat einen Kipppunkt erreicht, verschärft durch die unkontrollierte Ausbreitung von Social-Media-Plattformen", denen ihre Nutzungszahlen "über die Sicherheit von Kindern" gehe. "Problematische" Nutzung von Online-Netzwerken wie Instagram und Tiktok nimmt dem Bericht zufolge zu.
Die Mitteilung führt Studien an, die einen möglichen Zusammenhang zwischen exzessiver Social-Media- und Internet-Nutzung und einem Anstieg bei Selbstmordversuchen unter Jugendlichen sehen. In der Altersgruppe 15 bis 19 Jahre gebe es nach offiziellen Angaben sechs Suizide pro 100.000 Jugendliche. KidsRights nannte diese Zahl allerdings "die Spitze des Eisbergs", da Suizide wegen der sozialen Stigmatisierung oftmals nicht als solche erfasst würden.
Fast 40 Prozent der 15-Jährigen mit Internet-Sucht
KidsRights untersucht jährlich die Einhaltung der Kinderrechte in 194 Ländern. Europa ist demnach die Weltregion mit dem höchsten Risiko für 13-Jährige einer problematischen Nutzung von Online-Netzwerken: 13 Prozent dieser Altersgruppe sind dem Bericht zufolge davon bedroht. Mit einem Anteil von 39 Prozent sei in Europa außerdem die Verbreitung von Internet-Sucht bei 15-Jährigen "beispiellos".
Als Gegenmittel lehnt KidsRights pauschale Internet-Verbote für Minderjährige ab. "Solche pauschalen Verbote beeinträchtigen die bürgerlichen und politischen Rechte von Kindern", erklärte die NGO. Nötig seien vielmehr eine weltweite umfassende Erforschung der Auswirkungen von Social-Media-Nutzung auf Heranwachsende, bessere Bildung und bessere Fortbildung von Psychologen.
"Wir brauchen konkrete Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die digitale Revolution das Wohlergehen der 2,2 Milliarden Kinder weltweit steigert und nicht gefährdet", forderte KidsRights-Chef Dullaert. "Die Zeit für Halb-Maßnahmen ist vorbei."
Vergangene Woche hatten die EU-Digitalminister über die Forderung einiger europäischer Länder diskutiert, Online-Netzwerke wie Tiktok, Instagram und Youtube für Kinder zu verbieten. Konkret wollen Frankreich, Griechenland und Dänemark die Plattformen erst ab 15 Jahren erlauben - und das Alter der Nutzerinnen und Nutzer streng kontrollieren. Sie forderten die EU-Kommission auf, EU-weit verpflichtende Regeln dafür vorzulegen.
In der Theorie gelten für die Online-Netzwerke bereits Altersbeschränkungen. Tiktok, Instagram, Snapchat und X etwa sind laut Nutzungsbedingungen in der EU ab 13 Jahren erlaubt, Youtube und Tumblr ab 16 Jahren. Nutzerinnen und Nutzer müssen bei ihrer Anmeldung aber lediglich ein Geburtsdatum angeben, eine tatsächliche Kontrolle gibt es nicht.