Milchstraße könnte kosmischer Katastrophe entgehen

Neue Simulationen zeigen: Die Milchstraße könnte der drohenden Kollision mit der Andromeda-Galaxie entgehen. Die Anziehungskraft der Großen Magellanschen Wolke spielt dabei eine entscheidende Rolle. Ganz gebannt ist die Gefahr allerdings nicht.

In spätestens fünf Milliarden Jahren, so waren sich Astronomen seit Jahrzehnten sicher, stößt unsere Milchstraße mit der großen Andromeda-Galaxie zusammen. Doch jüngste Computersimulationen eines internationalen Forschungsteams liefern jetzt ein anderes Ergebnis: Die Anziehungskraft der Großen Magellanschen Wolke, einer Satellitengalaxie der Milchstraße, könnte demnach die kosmische Katastrophe verhindern. Die insgesamt 100.000 Simulationen führen lediglich in zwei Prozent der Fälle zu einem Zusammenstoß, berichtet das Team im Fachblatt "Nature Astronomy".

"Es wird allgemein angenommen, dass unsere Milchstraße auf Kollisionskurs mit der benachbarten Andromeda-Galaxie ist", erläutern Till Sawala von der Universität Helsinki und seine Kollegen. Tatsächlich bewegen sich die beiden großen Spiralgalaxien, die jeweils mehrere hundert Milliarden Sterne enthalten, mit hundert Kilometern pro Sekunde aufeinander zu. Zwar beträgt der Abstand der beiden Sternsysteme heute 2,5 Millionen Lichtjahre. Doch über Jahrmilliarden hinweg kommen sie sich bedrohlich nahe. "Als Ergebnis eines Zusammenstoßes würden die Spiralgalaxien zu einer neuen elliptischen Galaxie verschmelzen", so die Forscher.

Kosmisch gesehen ist ein solches Ereignis nichts Besonderes. "Wir sehen viele Galaxien, die miteinander kollidieren und verschmelzen", betont Team-Mitglied Carlos Frenk von der Durham University in Großbritannien. Ein solcher Zusammenstoß führe dann zu einem gigantischen Strahlungs-Feuerwerk, weil Gas in das gewaltige Schwarze Loch im Zentrum der neu entstehenden Galaxie strömt. "Bislang dachten wir, das sei auch das Schicksal unserer Milchstraße", so Frenk.

Große Magellansche Wolke sorgt für Ausweichkurs

Das Team hat jetzt die Bewegung der Milchstraße und der Andromeda-Galaxie auf Basis der bislang genauesten Messungen mit den Weltraumteleskopen Hubble und Gaia neu berechnet. Dabei haben die Forscher insbesondere auch den Einfluss der Großen Magellanschen Wolke sowie der 2,7 Millionen Lichtjahre entfernten Dreiecks-Galaxie M33 berücksichtigt. Dabei zeigte sich zwar, dass M33 die Wahrscheinlichkeit für einen Zusammenstoß sogar erhöht. Doch der Einfluss der Großen Magellanschen Wolke wirkt entgegengesetzt und macht eine Kollision nahezu unwahrscheinlich - jedenfalls innerhalb der nächsten fünf Milliarden Jahre.

Denn die Anziehungskraft der Großen Magellanschen Wolke wirkt nahezu senkrecht zur Bewegung der beiden großen Spiralgalaxien und sorgt so dafür, dass die beiden Systeme auf Ausweichkurs gehen. Nur etwa in der Hälfte aller Simulationen kommt es tatsächlich zu engen Begegnungen der beiden Sternsysteme und nur in zwei Prozent der Fälle in der Folge zu einer Kollision und Verschmelzung.

Ganz gebannt ist die Gefahr nicht

Ganz außer Gefahr ist die Milchstraße damit freilich nicht. Denn in all jenen Fällen, in denen es zu engen Begegnungen kommt, verlieren die Spiralgalaxien dadurch Bewegungsenergie. Sie werden also langsamer und umrunden sich langfristig auf einer immer engeren Bahn - bis es schließlich doch zu einer Verschmelzung kommt, allerdings erst in acht bis zehn Milliarden Jahren.

So sei das finale Schicksal der Milchstraße immer noch offen, gestehen Sawala und seine Kollegen ein, auch wenn es eine gute Chance gebe, der kosmischen Katastrophe einer Kollision mit Andromeda zu entgehen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hoffen jetzt auf noch bessere Daten von Gaia. Das 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt stationierte Weltraumteleskop misst seit 2014 hochgenau die Bewegung von Milliarden von Himmelsobjekten.

Entscheidend für die Astronomen ist dabei nicht nur die Bewegung der Andromeda-Galaxie auf die Milchstraße zu, sondern auch die weit schwieriger zu messende "transversale" Bewegung rechtwinklig dazu. Eine genaue Messung dieser Bewegung durch Gaia könnte das künftige Schicksal der Milchstraße endgültig klären, so hoffen die Forscher.