Astronomen entdecken bei einem winzigen Zwergstern einen gigantischen Gasplaneten. Die Entdeckung stellt bisherige Modelle der Planetenentstehung infrage. Nun soll das James-Webb-Teleskop Aufklärung bringen.
Der 240 Lichtjahre entfernte Stern TOI-6894 stellt Astronomen vor ein Rätsel: Wie jetzt veröffentlichte Beobachtungen eines internationalen Forschungsteams zeigen, wird er von einem Riesenplaneten umkreist. Doch TOI-6894 ist ein Zwergstern, der nur etwa ein Fünftel der Masse unserer Sonne enthält - und um solche Zwergsterne sollten keine großen Gasplaneten entstehen. Genaue Beobachtungen der Atmosphäre des Planeten könnten künftig Aufschluss über seine Entstehungsgeschichte geben, schreibt ein internationales Forschungsteam im Fachblatt "Nature Astronomy".
"Modelle der Planetenentstehung zeigen, dass die Bildung von Riesenplaneten bei Sternen mit geringer Masse erheblich schwieriger ist", erläutert die Gruppe um Edward Bryant von der University of Warwick in Großbritannien. Gemäß den Vorstellungen der Astronomen entstehen große Gasplaneten durch die sogenannte "Kern-Akkretion". Dabei bildet sich zunächst ein schwerer Kern aus Gestein und Metallen, der dann mit seiner Schwerkraft rasant Gas aus der Umgebung anzieht.
Doch in der Umgebung junger massearmer Sterne ist nicht genügend Materie vorhanden, um einen ausreichend großen Kern zu bilden, so die bisherige Ansicht - und somit können sich auch keine großen Gasplaneten bilden. Doch inzwischen sind Astronomen bereits bei zwanzig Zwergsternen auf Riesenplaneten gestoßen - und diese Entdeckungen deuten auf eine Lücke im Verständnis der Planetenentstehung, so Bryant.
Suche nach verdächtigen Signalen
Deshalb hat der Forscher im Datenarchiv des Weltraumteleskops TESS systematisch nach Anzeichen für Riesenplaneten bei Zwergsternen gesucht. TESS, der "Transiting Exoplanet Survey Satellite", sucht nach kleinen Änderungen der Helligkeit von Sternen. Treten diese in regelmäßigen Abständen auf, können sie ein Hinweis auf einen Planeten sein: Immer, wenn der Planet von der Erde aus gesehen vor dem Stern vorüberzieht, schwächt er dessen Helligkeit geringfügig ab.
Bei seiner Suche stieß Bryant auf ein verräterisches Signal bei dem roten Zwergstern TOI-6894. Grund genug für Bryant und seine Kolleginnen und Kollegen, den Stern mit weiteren Beobachtungen am Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte unter die Lupe zu nehmen. Dabei zeigte sich, das TOI-6894 tatsächlich von einem Planeten umkreist wird, der etwas größer ist als Saturn, allerdings nur etwa die Hälfte von dessen Masse enthält.
Mehr Riesenplaneten als vermutet?
TOI-6894 ist damit der kleinste Stern, bei dem bislang ein großer Gasplanet nachgewiesen werden konnte. "Die meisten Sterne in unserer Milchstraße sind ähnlich klein wie dieser Zwergstern", erläutert Team-Mitglied Daniel Bayliss die Konsequenzen der Entdeckung. Wenn dieser Stern also einen Riesenplaneten beherberge, so der Forscher, könne das bei vielen Zwergsternen der Fall sein - und es damit in unserer Milchstraße viel mehr große Gasplaneten geben als bislang vermutet.
Bleibt die Frage, wie sich bei Zwergsternen überhaupt solche Gasplaneten bilden können. Bryant sieht dafür zwei Möglichkeiten: Entweder der kleine Kern des Planeten hat über einen sehr langen Zeitraum Gas aus der Umgebung angezogen - was die geringe Masse des Planeten erklären würde. Oder der Planet ist über einen ganz anderen Prozess entstanden, über eine Instabilität in der rotierenden Scheibe aus Gas und Staub um den entstehenden Stern.
Die Forschenden hoffen, diese Frage schon bald beantworten zu können. Sie haben bereits Beobachtungen des Planeten mit dem Weltraumteleskop James Webb geplant. Und damit lässt sich ein Blick in die Atmosphäre des Gasplaneten werfen. Die chemische Zusammensetzung könne dann, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Rückschlüsse auf die Entstehungsgeschichte des Himmelskörpers ermöglichen.