US-Ärzte transplantieren erstmals Blase

Transplantationen von Herz, Niere oder Leber sind seit vielen Jahren gängige Praxis. Blasen waren bisher nicht dabei. Ein US-Ärzteteam betritt nun Neuland und verpflanzt das erste Mal eine Blase bei einem lebenden Patienten. Allerdings gibt es erhebliche Zweifel, ob sich das in Zukunft durchsetzen wird.

Erstmals haben Ärzte eine menschliche Harnblase transplantiert. Der Eingriff fand bereits Anfang Mai an einer Universitätsklinik in Los Angeles statt, wie die University of Southern California nun mitteilte. "Trotz der Komplexität des Falles lief alles nach Plan, und die Operation war erfolgreich", erklärte der leitende Urologe Inderbir Gill von der Keck School of Medicine der Universität. "Dem Patienten geht es gut, und wir sind mit seinem bisherigen klinischen Fortschritt sehr zufrieden."

Dem 41 Jahre alten Empfänger hatten Ärzte nach Angaben der Universität schon vor mehreren Jahren krebsbedingt den weitaus größten Teil der Blase entfernt, später auch beide Nieren. Bei dem jetzigen Eingriff erhielt der Mann sowohl eine Niere als auch eine neue Blase, die Operation dauerte insgesamt acht Stunden. Zum ersten Mal seit sieben Jahren habe der Patient die Dialyse stoppen und auch Urin produzieren können, teilte die Universität mit.

Die Operation sei ein historischer Moment in der Medizin, betonte Gill. Transplantationen von vielen Organen könnten bei vielen Erkrankungen Leben verbessern auch retten, "und nun können wir dieser Liste die Blase hinzufügen".

Nur wenige Patienten kommen infrage

Den Angaben zufolge sind weltweit Millionen Menschen von verschiedenen Blasenerkrankungen betroffen, etwa von Tumoren. Bislang kann man zwar Blasen entfernen, derzeit behelfen sich Ärzte nach einer solchen sogenannten Zystektomie aber meist damit, einen Blasenersatz aus Teilen des Dick- oder Dünndarms zu bilden. Doch dies könne unter anderem zu wiederkehrenden Infektionen und auch zu Verdauungsstörungen führen, betonte Gill. Dagegen könne ein Blasentransplantat ein normaleres Urinreservoir ermöglichen.

Allerdings mit einem gravierenden Nachteil: Denn wie bei anderen Organverpflanzungen besteht das Risiko, dass der Körper das fremde Gewebe abstößt. Die Einnahme sogenannter Immunsuppressiva soll dies verhindern, geht aber mit vielen Nebenwirkungen einher - und einem erhöhten Krebsrisiko.

Daher kommt der Eingriff nur für wenige, ausgewählte Patienten infrage. Als Empfänger für Spenderblasen seien jene Menschen besonders geeignet, die entweder ohnehin schon solche Medikamente nähmen oder aber zusätzlich ein weiteres Organ bekämen - wie im aktuellen Fall eine Niere.

Team übte zuvor an Tieren und Leichen

Dass es in der Vergangenheit noch keine Blasentransplantation gab, erklärt die Universität unter anderem mit der komplexen Struktur der Blut- und Nervengefäße in der tiefen Beckenregion. Hinzu kommt, dass die Blase - in Gegensatz etwa zu Niere oder Leber - kein unbedingt lebensnotwendiges Organ ist.

Das Operationsteam bereitete den Eingriff seit Jahren vor und übte zunächst an Tieren, an Verstorbenen und schließlich an hirntoten Menschen. Es visiert ähnliche Operationen an vier weiteren Menschen an.

Der Urologe Johannes Huber glaubt nicht, dass solche Transplantationen in Zukunft häufig vorgenommen werden. "Ich denke, dass derlei Eingriffe eine absolute Nische bleiben werden", sagte der Ärztliche Direktor der Klinik für Urologie am Universitätsklinikum Heidelberg. Die Einnahme von Immunsuppressiva sei "Stand jetzt für ein nicht überlebenswichtiges Organ in den allermeisten Fällen nicht zu rechtfertigen", so der Experte. "Als kombinierter Eingriff zusammen mit einer Nierentransplantation - so wie jetzt in den USA durchgeführt - wäre das in hochselektionierten Einzelfällen denkbar, aber nicht systematisch."