Der Mindestlohn liegt derzeit bei 12,82 Euro. Die Mindestlohnkommission beschließt nun einen Anstieg in zwei Schritten. Damit bleibt die Empfehlung unter der Zielmarke der SPD. Die Verhandler sprechen von einem großen politischen Druck auf das Gremium.
Der Mindestlohn in Deutschland soll in zwei Stufen auf 14,60 Euro zum 1. Januar 2027 steigen. Anfang kommenden Jahres soll er bereits auf 13,90 Euro steigen, wie die Mindestlohnkommission in Berlin mitteilte. Der Vermittlungsvorschlag der Kommissionsvorsitzenden Christiane Schönefeld sei einstimmig beschlossen worden. Das ist nach Angaben des Arbeitsministeriums insgesamt eine Steigerung von 13,88 Prozent.
Heute liegt der Mindestlohn bei 12,82 Euro. Die Mindestlohnkommission entscheidet alle zwei Jahre über die Anpassung. Hier verhandeln Spitzenvertreterinnen und -vertreter von Gewerkschaften und Arbeitgebern miteinander. Die Bundesregierung setzt den Beschluss dann per Verordnung um.
Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas begrüßte die Einigung der Mindestlohnkommission auf die künftige Höhe der Lohnuntergrenze "ausdrücklich". Der einstimmige Beschluss des Gremiums sei "eine gute Nachricht für circa sechs Millionen Menschen im Land", sagte Bas. Sie kündigte an, den Vorschlag umzusetzen. Den Arbeitgebern und Gewerkschaften zollte sie mit Blick auf die harten Verhandlungen "Respekt".
"Harte Verhandlungen"
Schönefeld sprach von einem tragfähigen Kompromiss, der für einen Ausgleich zwischen den Interessen der Arbeitnehmer und Betriebe sorge. Mit Blick auf in der Öffentlichkeit geäußerte Erwartungen über einen Mindestlohn von 15 Euro sprach sie von sehr schwierigen Gesprächen. Der Verhandlungsführer des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Stefan Körzell, sagte, es seien "harte Verhandlungen" gewesen. Der Verhandlungsführer der Arbeitgeber, Steffen Kampeter, kritisierte den großen Druck, der in den vergangenen Monaten von politischer Seite auf die Kommission ausgeübt worden sei.
Über Wochen war man sich in dem Gremium uneins gewesen, hieß es. Der Beschluss habe erst 50 Minuten vor Bekanntgabe festgestanden, sagte Körzell. Wäre die unabhängige Mindestlohnkommission nicht zu einer Einigung gekommen, hätte der Gesetzgeber handeln können. Die SPD, die in Berlin einen Parteitag abhält, hatte im Wahlkampf 15 Euro Mindestlohn gefordert.
Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und Sozialdemokraten hatte auf eine konkrete Festlegung verzichtet. "Für die weitere Entwicklung des Mindestlohns wird sich die Mindestlohnkommission im Rahmen einer Gesamtabwägung sowohl an der Tarifentwicklung als auch an 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten orientieren", heißt es dort entsprechend den gesetzlichen Vorgaben für die Kommission. "Auf diesem Weg ist ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 erreichbar."
Kritik vom Handelsverband
Der Handelsverband Deutschland (HDE) kritisierte die beschlossene Erhöhung des Mindestlohns scharf. "Jobs müssen sich für Arbeitgeber in der Privatwirtschaft rechnen, sonst fallen sie weg", sagte HDE-Präsident Alexander von Preen. Die Entscheidung setze im Einzelhandel zahlreiche Stellen aufs Spiel.
Weiter sagte er: Die Mindestlohnkommission hätte die schlechte konjunkturelle Lage der Branche sowie die drohenden Arbeitsplatzverluste stärker berücksichtigen müssen. Das Existenzminimum abzusichern sei in Deutschland "allein Aufgabe der staatlichen Sozialpolitik, nicht die der unabhängigen Mindestlohnkommission". Die Entscheidung werde schwerwiegende Folgen für den Wirtschaftsstandort Deutschland haben, so von Preen.
Der Bauernverband warnte vor gravierenden Folgen für viele Betriebe. "Dieser Mindestlohn hat das Potenzial, den Anbau von Obst, Gemüse und Wein aus Deutschland zu verdrängen", sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied. "Wir werden dem Wettbewerbsdruck innerhalb der EU nicht standhalten können, was zu einer weiteren Produktionsverlagerung ins Ausland führen wird."
Einführung unter Merkel
Der Mindestlohn in Deutschland war 2015 unter Kanzlerin Angela Merkel eingeführt worden. Bei der Erhöhung auf 12 Euro im Oktober 2022 hatte ausnahmsweise der Gesetzgeber dem Gremium die Entscheidung per Gesetz aus der Hand genommen. Damals hatte der spätere Bundeskanzler Olaf Scholz den Mindestlohn mit ins Zentrum seines Wahlkampfs für mehr "Respekt" gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern gestellt. Bundeskanzler Friedrich Merz hatte in einem Interview klargestellt, dass es "keinen gesetzlichen Automatismus" geben werde. Der Mindestlohn könne "bei dieser Höhe zum 1.1.2026 oder 2027 liegen", so Merz bereits im April.
Entscheidende Faktoren für die Lohnuntergrenze sind die zurückliegende Entwicklung der Tariflöhne in Deutschland, errechnet durch das Statistische Bundesamt. Zudem dient der mittlere Lohn als Ausgleichsgröße, denn als angemessener Mindestlohn gelten 60 Prozent des nationalen Medianlohns, also des statistisch errechneten mittleren Lohns. So soll vermieden werden, dass künftig noch mehr Menschen durch Armut gefährdet sind.
Vergangenes Jahr waren laut offizieller Statistik 15,5 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet - rund 13,1 Millionen Menschen in Deutschland. Als armutsgefährdet gelten laut EU-Definition alle, die über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügen. 1378 Euro im Monat nach Steuern und Sozialabgaben waren dies 2024 für eine alleinlebende Person in Deutschland. Die Arbeitgeber hatten allerdings vor gravierenden ökonomischen Folgen durch eine deutliche Mindestlohnerhöhung gewarnt. Deutschland droht 2025 das dritte Rezessionsjahr in Folge.