Mit Echthaar-Perücken lässt sich jede Menge Geld verdienen: Etwas mehr als sieben Milliarden Dollar pro Jahr, um genau zu sein. Als Krimi funktioniert das Thema eher weniger, trotz reichlich bizarrer Geschichten dahinter.
"Die Haare von Armen schmücken die Köpfe der Reichen - diese Absurdität ist ein lukratives Geschäft." Ein dick aufgestrichenes Zitat aus dem "bewusst im Stil etwas überhöhten" (Regisseur Tobias Ineichen) neuen Schweizer "Tatort", das sich aber in die Realität übertragen lässt: Mit Perücken und Extensions aus Echthaar wurden 2023 7,06 Milliarden US-Dollar umgesetzt - bis 2028 soll die Zehn-Milliarden-Marke geknackt werden.
"Haare stehen für Vielfalt, Haare machen Politik", heißt es im Film - und tatsächlich lassen sich anhand des Handels mit menschlichem Haar so unterschiedliche Themen wie gesellschaftliche Machtverhältnisse, religiöse Überzeugungen und kulturelle Identitäten anschaulich nacherzählen und miteinander verbinden: "Rapunzel" orientiert sich dabei an einer besonders bizarren wahren Begebenheit, die vor mehr als 20 Jahren die Branche einmal komplett umkrempelte.
"Objekte der Götzenanbetung"
Nach jüdischem Gesetz müssen verheiratete orthodoxe Frauen ihre Haare in der Öffentlichkeit bedecken. Der sogenannte Sheitel - eine Perücke aus Echthaar - hat sich dabei als elegante Lösung etabliert, die es den Frauen ermöglicht, religiöse Vorschriften zu befolgen, ohne auf ein modernes Erscheinungsbild verzichten zu müssen.
2004 allerdings erschütterte eine rabbinische Entscheidung diesen Markt bis in die Grundfesten. Shalom Yosef Elyashiv proklamierte, dass indische Haare, die den Großteil der weltweiten Echthaar-Produktion ausmachen, nicht koscher seien. Der Grund: Viele dieser Haare stammen aus Hindu-Tempeln, wo Frauen ihre Mähnen als religiöse Opfergabe darbringen. Nach jüdischem Verständnis falle dies unter "Götzenanbetung", erklärte Elyashiv und verbot die Praxis kurzerhand.
Die Konsequenzen waren dramatisch. Der Rabbi riet sogar dazu, bereits gekaufte indische Perücken zu verbrennen, da "Objekte der Götzenanbetung vernichtet werden müssen". Orthodoxe Jüdinnen wurden angehalten, beim Kauf mit genau abgezähltem Geld zu zahlen, um kein Wechselgeld zu erhalten, das möglicherweise mit dem Verkauf indischer Perücken in Berührung gekommen war.
Heute müssen Haarfabriken spezielle Koscher-Zertifikate vorweisen, und jede Perücke trägt ein entsprechendes Label. Die Preise für koschere Echthaarperücken bewegen sich zwischen 700 und 1700 Euro - hinzu kommen monatliche Pflegekosten, da die Frauen ihre Perücken nicht selbst waschen können. Bei richtiger Pflege hält eine hochwertige Echthaarperücke bis zu zehn Jahre.
Die dunkle Seite des Glanzgeschäfts
Doch wo viel Geld fließt, sind auch zwielichtige Geschäfte nicht weit. "Rapunzel" deutet mit seinem Plot um gefälschte Echthaare auf reale Probleme der Branche hin. Tatsächlich floriert ein Schwarzmarkt mit minderwertigen oder falsch deklarierten Produkten. Besonders problematisch wird es bei der Herkunftsangabe. Während "europäisches Haar" als Premiumprodukt vermarktet wird, stammt ein Großteil des so beworbenen Haars tatsächlich aus anderen Regionen. Die Nachverfolgung der Lieferketten ist oft unmöglich, was Betrug Tür und Tor öffnet.
Wobei fraglich ist, wie lange sich der überhaupt noch lohnt: 3D-Scanning ermöglicht es heute bereits, Perücken passgenau anzufertigen, ohne dass der Kunde physisch anwesend sein muss. Künstliche Intelligenz hilft bei der Farbabstimmung und der Vorhersage von Trends. Gleichzeitig entstehen synthetische Fasern, die von Echthaar kaum noch zu unterscheiden sind.
Während die Kommissarinnen Grandjean und Ott in Zürich ihre Ermittlungen abschließen, geht das Geschäft mit den Haaren indes weiter. Irgendwo in der Welt schneidet gerade eine Frau ihre Haare ab - aus religiösen Gründen, aus Not oder aus Mode. Und irgendwo anders setzt sich eine andere Frau eine Perücke auf - um ihre Identität zu verbergen, ihre Würde zu bewahren oder einfach nur schön auszusehen.