Dänische Regierung bittet Grönländerinnen um Verzeihung

Bis in die 1990er Jahre setzt Dänemark Tausenden grönländischen Mädchen und Frauen Spiralen ohne deren Einverständnis ein. Angeblich, um das Bevölkerungswachstum Grönlands zu steuern. Nun entschuldigt sich das Land offiziell. Doch den Betroffenen reicht das nicht.

Dänemark hat sich offiziell bei zahlreichen Grönländerinnen für das unrechtmäßige Einsetzen von Spiralen zur Schwangerschaftsverhütung entschuldigt. Auf einer Zeremonie im Zentrum der grönländischen Hauptstadt Nuuk bat Ministerpräsidentin Mette Frederiksen die Betroffenen im Namen des dänischen Staates um Verzeihung.

"Heute ist ein besonderer Tag. Wir benennen ein Versagen, das schwerwiegende Folgen für grönländische Mädchen und Frauen hatte", sagte Frederiksen. Auch wenn eine Entschuldigung die Vergangenheit nicht ändern oder erlebten Schmerz lindern könne, sei sie doch eine Anerkennung des geschehenen Versagens. Viel zu lange habe man die Augen davor verschlossen, tue dies aber nicht länger. "Im Namen Dänemarks: Entschuldigung", sagte sie.

Zwischen 1960 und 1992 hatten die dänischen Behörden etwa 4500 einheimischen Inuit-Frauen - die Hälfte der gebärfähigen weiblichen Bevölkerung Grönlands zu der Zeit - zwangsweise eine Verhütungsspirale eingesetzt. Viele der Frauen blieben dauerhaft unfruchtbar, fast alle trugen körperliche und psychische Schäden davon. Ziel der Maßnahme war es, die Geburtenrate in der indigenen Bevölkerungsgruppe der Inuit zu senken.

"Ein sehr wichtiger Moment für diese Frauen"

Bei der Zeremonie in einem Kulturzentrum in Nuuk waren viele Menschen im Publikum schwarz gekleidet und wischten sich Tränen aus den Augen. Unter ihnen war Kirstine Berthelsen, die der Nachrichtenagentur AFP von ihren zwei Eileiterschwangerschaften, langen Krankenhausaufenthalten und Operationen berichtete. Die Problem hingen ihrer Meinung nach mit der Verhütungsspirale zusammen.

Die persönliche Entschuldigung Frederiksens sei für ihren Heilungsprozess wichtig, sagte die 66-jährige Rentnerin. "Ich kann nun mein Leben weiterführen, ohne dass Hass, Wut und Negativität mich innerlich auffressen", sagte sie. Auch einige der Betroffenen ergriffen bei der Veranstaltung das Wort.

Der Besuch und die persönliche Entschuldigung werde "ein sehr wichtiger Moment für diese Frauen sein, aber auch für die Gesellschaft als Ganze", sagte die Abgeordnete Aaja Chemnitz, die Grönland im dänischen Parlament vertritt, im Vorfeld der Zeremonie. Es handele sich um "einen zweiten Schritt im Versöhnungsprozess", nachdem sich Frederiksen Ende August bereits im Namen der Regierung öffentlich bei Tausenden Grönländerinnen entschuldigt habe, sagte Chemnitz.

Der Spiralen-Skandal zählt zu einer Reihe schwerer Versäumnisse, die die Grönländerinnen und Grönländer dem dänischen Staat vorwerfen. Dänemark war bis 1992 für das Gesundheitswesen in Grönland verantwortlich. Mittlerweile ist die größte Insel der Erde weitgehend autonom, gehört aber offiziell weiterhin zum Königreich Dänemark. US-Präsident Trump hat dieses Modell immer wieder infrage gestellt und gefordert, die Kontrolle über die Eisinsel übernehmen zu wollen.

Grönländerinnen verklagen den dänischen Staat

Der grönländische Regierungschef Jens-Frederik Nielsen entschuldigte sich auf der Zeremonie für alle Fälle, in denen Frauen seit der grönländischen Übernahme des Gesundheitswesens ebenfalls Spiralen eingesetzt oder andere Eingriffe ohne deren Einverständnis vorgenommen worden waren.

143 betroffene Grönländerinnen haben den dänischen Staat wegen der Verletzung ihrer Menschenrechte im vergangenen Jahr verklagt. Sie fordern jeweils eine Entschädigung in Höhe von 300.000 dänischen Kronen (etwa 40.000 Euro). Frederiksen hatte vor ihrer Reise nach Nuuk angekündigt, einen Versöhnungsfonds einrichten zu wollen, der den betroffenen Grönländerinnen sowie weiteren wegen ihrer Herkunft falsch behandelten Menschen auf der Insel finanzielle Wiedergutmachung ermöglichen soll.