Bericht: Israelische Soldaten erhielten Schießbefehl gegen Hungernde

Die israelische "Haaretz" berichtet von erschreckenden Ereignissen nahe der Verteilzentren im Gazastreifen. Israelische Soldaten haben wiederholt den Befehl erhalten, bewusst auf unbewaffnete Menschenmengen zu schießen, um die Gruppen Hungernder zu kontrollieren, heißt es.

Israelische Soldaten in Gaza haben laut der israelischen Zeitung "Haaretz" im vergangenen Monat absichtlich auf Palästinenser in der Nähe von Verteilzentren geschossen. Mit Bezug auf Gespräche mit Offizieren und Soldaten berichtet die Zeitung, dass Kommandeure den Truppen befahlen, auf Menschenmengen zu schießen, um sie zu vertreiben oder zu zerstreuen. In diesen Fällen sei klar gewesen, dass von den Menschen keine Gefahr ausging. Ein Soldat beschreibt die Situation in Gaza als "Schlachtfeld". Ein anderer spricht von einem "totalen Zusammenbruch der ethischen Grundsätze der israelischen Streitkräfte im Gazastreifen".

Immer wieder gab es im vergangenen Monat Berichte von Schießereien nahe den Ausgabestellen der umstrittenen Gaza Humanitarian Foundation (GHF). "Haaretz" schreibt von 19 solcher Vorfälle. Wer geschossen habe, sei nicht immer klar, die israelische Armee erlaube aber auf dem Gelände keinen Zutritt für Bewaffnete.

Nach Angaben des von der Hamas geführten Gesundheitsministeriums wurden im vergangenen Monat 549 Menschen bei solchen Schießereien getötet und mehr als 4000 verwundet. Die UN sprechen von mehr als 400 Toten, die man allesamt überprüft habe.

Die Verteilungszentren seien in der Regel jeden Morgen nur eine Stunde lang geöffnet. Den Quellen der Zeitung zufolge schießen die israelischen Streitkräfte auf Personen, die vor der Öffnungszeit ankommen, um sie daran zu hindern, sich zu nähern. Das Gleiche geschieht nach der Schließung, um die Menge zu vertreiben. Da sich einige der Schießereien nachts ereigneten, sei es möglich, dass einige Zivilisten, die sich bereits vor den Öffnungszeiten sammelten, die Grenzen des ausgewiesenen Bereichs nicht sehen konnten. Entgegen den anfänglichen Versprechungen der Stiftung verlaufe die Verteilung chaotisch, so "Haaretz", mit Menschenmassen, die sich auf die Stapel von Kisten stürzen.

"Gaza interessiert niemanden mehr"

"Es ist ein Schlachtfeld", zitiert die Zeitung einen Soldaten. "Wo ich stationiert war, wurden jeden Tag zwischen einem und fünf Menschen getötet. Sie werden wie feindliche Soldaten behandelt - keine Maßnahmen zur Kontrolle der Menschenmenge, kein Tränengas - nur scharfes Feuer, mit allem, was man sich vorstellen kann: schwere Maschinengewehre, Granatwerfer, Mörser."

Dem Soldaten zufolge gehe keine Gefahr von den Wartenden aus. Er wisse von keiner Situation, in der aus der Menge Feuer auf die Truppen eröffnet wurde. Offizieren zufolge erlaube die israelische Armee es nicht, dass Aufnahmen der Geschehnisse in der Nähe der Verteilzentren an die israelische und internationale Öffentlichkeit gelangen.

"Gaza interessiert niemanden mehr", zitiert die Zeitung einen Reservisten, der vergangene Woche im Kriegsgebiet eingesetzt wurde. "Es ist ein Ort mit eigenen Regeln geworden. Der Verlust von Menschenleben bedeutet nichts mehr. Es ist nicht einmal ein 'unglücklicher Zwischenfall', wie man früher sagte."

"Das Töten unschuldiger Menschen ist zur Normalität geworden", sagt ein anderer Soldat laut Bericht. "Uns wurde ständig gesagt, dass es in Gaza keine Unbeteiligten gibt, und offenbar ist diese Botschaft bei den Truppen angekommen".

Laut der "Haaretz" haben Justizbeamte des Militärgeneralanwalts angeordnet, dass der Beschuss an den Verteilungszentren nun durch den Generalstab untersucht werden soll.

Die UNO und große Hilfsorganisationen verweigern die Kooperation mit der GHF, der sie vorwerfen, sich nach den Plänen der israelischen Armee auszurichten. Israel steht wegen der verheerenden humanitären Lage in dem Palästinensergebiet international unter Druck. Die UNO warnt vor einer Hungersnot im gesamten Gazastreifen.