Der Regelsatz für das Bürgergeld beträgt derzeit monatlich 563 Euro. Einer Studie zufolge reicht das aber bei vielen der Bezieher nicht aus. Sie müssen demnach auf Essen verzichten, um andere Sachen finanzieren zu können.
Nur etwas mehr als jede und jeder zweite Bürgergeld-Bezieher hat nach eigener Auskunft genug auf dem Konto, damit alle im Haushalt stets satt werden. 69 Prozent halten den Regelsatz für nicht hoch genug für eine gesunde Ernährung, wie eine neue Befragung von Menschen im Bürgergeld zeigt. Das zeigt eine Studie, die der Verein "Sanktionsfrei" in Auftrag gegeben hat. Der setzt sich dafür ein, Strafmaßnahmen für Bürgergeldempfänger abzuschaffen und die Regelsätze zu erhöhen. Im vergangenen Jahr war das Bürgergeld wegen der hohen Inflationserwartung um 61 Euro erhöht worden.
Mehr als jede und jeder dritte Bürgergeld-Beziehende verzichtet laut der Studie dennoch auf Essen, um andere notwendige Dinge finanzieren zu können. 54 Prozent der Eltern verzichten nach eigenen Angaben zugunsten ihrer Kinder auf Essen.
Vor dem Hintergrund dieser Befunde kritisierte der Verein Sanktionsfrei Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas. Die SPD-Politikerin hatte Schritte gegen Missbrauch von Bürgergeld angekündigt und in einem Interview von ausbeuterischen Strukturen gesprochen, bei denen Menschen aus anderen europäischen Ländern mit Mini-Arbeitsverträgen nach Deutschland gelockt werden.
Befragte: Regelsatz reicht nicht aus
Tatsächlich sei Sozialleistungsbetrug "kein strukturelles Problem", sagte die Gründerin des Vereins, Helena Steinhaus. Generell reicht nach der Studie aus Sicht von 72 Prozent der Befragten der Regelsatz von monatlich 563 Euro nicht aus, um ein würdevolles Leben zu führen. "Die überwältigende Mehrheit will arbeiten, hat aber kaum Hoffnungen darauf, eine existenzsichernde Arbeit zu finden", so der Verein unter Berufung auf seine Ergebnisse. 42 Prozent schämen sich, Bürgergeld zu beziehen. 72 Prozent fürchten weitere Verschärfungen.
Der Präsident des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, warnte vor dem Hintergrund der Ergebnisse vor einer Politik des Kürzens und Einsparens beim Bürgergeld. Es verlören nicht nur die Betroffenen, sondern auch die Wirtschaft, denn selbst bei den wenig Qualifizierten fehlten Arbeitskräfte. Besser wäre mehr Förderung, sagte Fratzscher.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann verteidigte die geplante Reform des Bürgergeldes. "Bei der Reform geht es im Kern nicht um die Regelsätze. Es geht um das System als Ganzes, das Millionen Deutsche nicht als gerecht empfinden", sagte er auf Nachfrage von ntv im Konrad-Adenauer-Haus. Diejenigen, die arbeiten könnten, müssten arbeiten gehen. "Das sind wir den Menschen schuldig", so Linnemann. Arbeitsministerin Bärbel Bas hatte zuletzt davor gewarnt, mit hohen Einsparungen im Haushalt zu rechen, wenn Totalverweigerer härter bestraft würden.
Von den 5,5 Millionen Bürgergeld-Beziehenden seien ein Drittel Kinder und Jugendliche und 800.000 Aufstocker, denen ihr Lohn nicht reiche. Die 16.000 Menschen, gegen die nach wiederholten Verfehlungen Sanktionen erhoben würden, fielen im Verhältnis nicht stark ins Gewicht. Von 1,7 Millionen beschäftigungsfähigen Bürgergeld-Beziehern seien die meisten ohne ausreichende Qualifizierung und viele von gesundheitlichen Problemen betroffen.