Dobrindts "Aufrüstung" der Polizei löst Kritik aus

Attacken mit tödlichem Ausgang für die Angreifer durch Polizeikugeln scheinen sich zu häufen. Innenminister Dobrindt will Bundespolizisten nun mit Elektroschockern ausstatten. Doch das Vorhaben ist umstritten. Kritik kommt aus der SPD und von der Linken. Auch in den eigenen Reihen ist man skeptisch.

Um die Ankündigung von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt, die Bundespolizei mit Tasern auszurüsten, ist eine Diskussion entbrannt. Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens von der SPD äußerte Zweifel daran, "ob der Einsatz weiterer Geräte wie Taser wirklich sinnvoll ist". Den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte sie: "Gerade in Hochstresssituationen könnte die Auswahl des geeigneten Einsatzmittels zu einer erheblichen Erhöhung der Komplexität im Einsatz führen." Auch die Partei Die Linke äußerte sich kritisch zu dem Vorhaben.

Dobrindt hatte zuvor erklärt, dass "der Einsatz von Tasern bei unserer Polizei zwingend notwendig ist". Den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte er, er werde dafür sorgen, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Ausstattung der Beamten mit Elektroschockgeräten "noch in diesem Jahr aufgesetzt werden".

Der CSU-Politiker bezeichnete den Einsatz von Tasern als "geeignetes Mittel, um auf die gestiegene Bedrohung der Polizei im öffentlichen Raum zu reagieren". Die Taser dienten auch dazu, dass die Beamten sich besser schützen könnten, wenn sie etwa mit Stichwaffen wie Messern angegriffen würden. "Der Taser ist das richtige Einsatzgerät, um genau an der Schnittstelle zwischen Schlagstock als Nahwaffe und der Pistole als Fernwaffe zu wirken", sagte Dobrindt.

Die Forderung Dobrindts kommt vor dem Hintergrund von Messerattacken gegen Passanten, bei denen die Polizei von der Schusswaffe Gebrauch gemacht hatte und die Angreifer tödlich verletzten. Eine Frau hatte am Samstagabend an der Theresienwiese in München Menschen mit einem Messer attackiert. Die Polizei schießt auf die Angreiferin, die Frau stirbt. Erst im August vergangenen Jahres war in München eine 31 Jahre alte, psychisch kranke Frau von der Polizei erschossen worden - gar nicht weit von der Theresienwiese entfernt. Zuvor hatte sie in einem Supermarkt mit einem Messer hantiert und soll herbeigerufene Beamte angegriffen haben.

Herrmann: "Taser ist kein 'Allheilmittel'"

Forderungen nach dem verstärkten Einsatz sogenannter Taser hatte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann von der CSU damals eine Absage erteilt: "Der Taser ist kein 'Allheilmittel' für gefährliche Einsätze, vor allem wenn Täter mit Schusswaffen oder Messern ein sofortiges Handeln der Polizei erfordern", betonte der Minister.

"In hochbrenzligen und lebensgefährlichen Situationen könnte der Taser keine Wirkung haben, beispielsweise wenn die Elektroden die Kleidung des Angreifers nicht durchdringen können. Dazu kommt, dass der Täter das Messer beim Tasereinsatz durch die muskuläre Verkrampfung nicht zwingend fallen lässt."

Der bayerische Landesverband der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) hatte nach dem Vorfall im August 2024 gefordert, dass auch Streifenpolizisten im Freistaat mit Tasern ausgestattet werden sollten. Bisher seien vor allem Spezial- und Unterstützungseinheiten damit bewaffnet.

Gerade bei Angreifern in psychischen Ausnahmesituationen könnten die Distanz-Elektroimpulsgeräte aber Beamte schützen und Angreifer vor schwereren Verletzungen bewahren, sagte damals der Landeschef der Gewerkschaft, Jürgen Köhnlein. Bei Messerangriffen müsse aber auch beim Einsatz von Tasern "immer ein Kollege mit bereits gezogener Waffe zur Absicherung dabeistehen".

Linke: Polizei sollte auf Deeskalation setzen

Anders sieht das derzeit etwa die SPD-Politikerin Behrens. In Niedersachsen habe man deshalb bisher nur die Spezialeinsatzkräfte mit Tasern ausgestattet. "Unsere Fachleute setzen sich mit diesem Thema aber kontinuierlich auseinander und informieren sich auch über die Erfahrungen, die andere Bundesländer mit dem Taser machen", sagte die Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Ähnlich lautet die Einschätzung der Linken. "Es gibt zahlreiche dokumentierte Todesfälle nach Taser-Einsätzen, auch bei unbewaffneten oder verwirrten Personen. Die angebliche Erfolgsquote ist in der Praxis erschreckend niedrig", sagte Clara Bünger, die innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, der "Rheinischen Post". Die Pläne seien deshalb falsch und gefährlich. "Das ist keine Maßnahme zur Deeskalation, sondern ein weiterer Schritt in Richtung Aufrüstung der Polizei."

Taser wirkten nicht zuverlässig, "senken aber gleichzeitig die Hemmschwelle für Gewaltanwendung", sagte Bünger. "Wenn selbst Hersteller-Testpersonen Haftungsausschlüsse wegen möglicher Todesfolgen unterschreiben müssen, dann sollten wir uns fragen, ob so ein Gerät wirklich in die Hände von Polizeikräften gehört." Notwendig sei stattdessen eine Polizei, "die auf Deeskalation, Kommunikation und Menschenrechte setzt".

Gesundheitliche Folgen möglich

Zuletzt hatte nach den tödlichen Schüssen bei einem Polizeieinsatz in Oldenburg auch die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) in Niedersachsen ihre Forderung zum Einsatz von Tasern bekräftigt. Ein Polizist hatte in der Nacht zu Ostersonntag mindestens viermal auf einen 21-Jährigen geschossen, der Mann starb. Nach Angaben der Polizei hatte der junge Mann zuvor vor einer Diskothek Reizgas versprüht und mehrere Menschen leicht verletzt.

Ein Taser ist ein Gerät, mit dem Elektroschocks aus etwas Distanz abgegeben werden, die zu schmerzhaften Muskelkontraktionen führen. Dadurch wird ein Mensch in der Regel handlungsunfähig. Die Waffen sind allerdings umstritten, da Taser beim Einsatz gegen Menschen etwa mit Herzerkrankungen oder Herz-Kreislauf-Problemen zu gesundheitlichen Folgen führen können.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) begrüßte Dobrindts Pläne. Der GdP-Chef für die Bundespolizei, Andreas Roßkopf, sagte der "Rheinischen Post": "Bei der gestiegenen Gefahrenlage, insbesondere an Bahnhöfen, wie wir zuletzt in Hamburg erlebt haben, stellen die Geräte ein wichtiges Einsatzmittel dar." Am Hamburger Hauptbahnhof hatte vor zwei Wochen eine Frau wahllos um sich gestochen, 18 Menschen wurden bei dem Angriff verletzt. Die laufende Erprobung von Tasern an manchen Bahnhöfen durch die Bundespolizei zeige, dass oft schon die Androhung aufgebrachte Situationen beruhige.